Himmel über Tasmanien
dickbäuchigen Herd mit geringem Interesse und drückte auf das Bett, um zu sehen, ob es bequem war. Sie fuhr mit den Händen über das Leinen und warf einen Blick auf die Vorhänge, die ganz bestimmt schon bessere Zeiten gesehen hatten. »Für heute Nacht wird es gehen, vermute ich«, sagte sie zögernd.
Lulu hakte sich bei ihr unter. »Ich glaube, wir müssen vielleicht ein bisschen länger bleiben«, sagte sie leise. »Komm schon, Dolly, so schlimm ist es nicht.«
»Ich bin so etwas nicht gewohnt«, zischte sie. »Kannst du nicht dafür sorgen, dass er seine Meinung ändert?«
Lulu blickte kurz zu Joe hinüber, der im Türrahmen stand, als wäre er fest entschlossen, sie am Weggehen zu hindern. »Ich glaube, das kann ich nicht, Dolly«, murmelte sie, »wir müssen uns einfach damit abfinden, bis wir etwas Besseres finden.«
Joe räusperte sich. »Wenn das erledigt ist, dann hole ich Ihr Gepäck.«
»Einen Moment noch«, befahl Dolly. »Wo ist das Bad?«
Lulu seufzte. Sie hatte gehofft, dieses spezielle Thema würde zur Sprache kommen, nachdem sie ausgepackt und sich eingerichtet hätten. Sie warf Joe einen Blick zu, der mit den Füßen scharrte und verlegener wirkte denn je. »Draußen ist wahrscheinlich ein Boiler, um das Wasser anzuwärmen, sodass wir den Bottich dort füllen können«, erklärte sie und zeigte auf die große Zinnwanne, die neben dem Herd hing. »Die anderen Einrichtungen werden auch draußen sein.«
Dolly riss entsetzt die Augen auf. »Soll das heißen, wir müssen rausgehen, um … um zu …?«
Lulu nickte und flüsterte ihr ins Ohr in der Hoffnung, Joe würde nicht hören, was sie sagte.
Dolly sank auf das Bett, ihre Augen funkelten vor Wut. »Damit hat sich die Sache wohl endgültig erledigt«, fauchte sie.
Lulu brach in schallendes Gelächter aus. »Oh Dolly«, prustete sie, »du solltest dein Gesicht sehen.«
»Das ist überhaupt nicht lustig«, rief Dolly. »Ich hasse Camping – habe nie einen Sinn darin gesehen –, und hier bin ich gezwungen, in einem Schuppen zu schlafen und in ein Plumpsklo zu pinkeln.« Ihre scharlachroten Lippen wurdenschmal, als Lulu weiterkicherte. »Lulu Pearson, du häufst gerade lebenslange Gefälligkeiten an, und wenn ich das hier überlebe – was ich bezweifle –, wirst du sie alle bis auf die letzte abarbeiten müssen.«
8
C larice schaute durch das nasse Fenster in den Oktoberregen, der den Garten peitschte. Der Altweibersommer war vorbei, die Blumen waren kaputt, eingeknickt unter dem Gewicht des Wolkenbruchs, ihre Blütenblätter zertrampelt wie vergessenes Konfetti. Die fernen Hügel waren von Wolken verschleiert, und der düstere Tag deprimierte sie.
Sie seufzte und warf einen Blick auf die Briefe, die auf dem Tisch verstreut lagen. Sie waren am Morgen eingetroffen, und sie hatte sie eifrig gelesen, gespannt auf Loreleis Neuigkeiten. Sie hatte die Orte, die sie auf ihrer Reise gesehen hatte, so gut beschrieben und sogar Skizzen beigefügt, damit Clarice an ihren Erfahrungen teilhaben konnte. Aus Australien war noch nichts dabei gewesen – es war zu früh –, und sie konnte nur hoffen, dass Loreleis schwärmerische Erinnerungen an ihre Heimat nicht von der Realität zerschmettert würden.
Clarice sank auf den Stuhl am Fenster. Damals in Sydney hatte es auch geregnet, fiel ihr ein – an jenem schrecklichen Tag, als ihre Welt zu Bruch ging und sie alles verlor, was ihr wichtig war.
Sydney, Oktober 1888
Clarice hatte in den ersten Wochen des neuen Jahres in Angst gelebt, doch als die Zeit verging und die gefürchtete Schwangerschaft sich nicht einstellte, atmete sie auf. Dennoch hatte sie sich verändert. Verschwunden war der Trotz, den sie so standhaft zu erhalten bemüht gewesen war – verschwundender Funke der Leidenschaft, an den sie sich so fest geklammert hatte. An ihre Stelle war eine hochmütige Reserviertheit getreten, die sie wie eine Rüstung anlegte.
Sie hatte nie gut lügen können und wusste, dass sie nicht die Fähigkeit besaß, Algernons bohrenden Fragen standzuhalten. Aber es hatte den Anschein, als ahnte er nichts von den Ereignissen in jener schicksalhaften Nacht und bemerkte nicht die Veränderung in ihrem Verhalten. Tatsächlich schien er außer seiner Arbeit nichts zu sehen, und dafür war sie dankbar.
Clarice mied alle bis auf die wichtigsten gesellschaftlichen Ereignisse und hatte sich in eine pflichtbewusste Ehefrau verwandelt. Während sie sich um die Dienerschaft kümmerte, dafür sorgte, dass Algernon
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