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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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neuesten Modewelle, die derzeit über Europa hinwegfege – »La Belle Époque«. Das Kleid war tief ausgeschnitten, der Busen des Models durch ihr Korsett hochgedrückt, betont von einem mit Rüschen besetzten Mieder. Die Ärmel waren ausgestellt und mit Spitze und Bändern reichlich verziert, und der Rock fiel von der schmalen Taille über eine kleine, gepolsterte Turnüre in eine schichtförmige Schleppe, einen Wasserfall aus Spitze und Bändern. Es war das schönste Kleid, das sie je gesehen hatte, und Clarice konnte verstehen, warum Gwen es sich wünschte – aber es war für eine Frau entworfen worden, nicht für ein Kind.
    »Tut mir leid, Gwen, aber ich muss deiner Mutter recht geben«, sagte sie ruhig.
    Gwen riss ihr den Katalog aus den Händen, ihre Augen glitzerten gefährlich. »Ich hätte es mir denken können, dass du dich auf ihre Seite schlägst«, zischte sie.
    »Wir wissen beide, was sich gehört, Gwen, Liebes«, besänftigte Eunice, »und bitte, sei nicht grob zu deiner Tante. Sie versucht nur zu helfen.«
    »Dann sollte sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern«, knurrte sie. Gwen ging wieder zu ihrem Sessel und blätterte durch die Seiten. »Ihr seid beide viel zu alt, um etwas von der heutigen Mode zu verstehen.« Sie warf ihrer Mutter einen streitlustigen Blick zu. »Die grauenhaften Kleider, die du trägst, sind vorsintflutlich.«
    »Gwen, benimm dich, oder ich sage die Feier ab.«
    Gwen lachte spöttisch. »Daddy hat mir eine Feier versprochen, und du würdest es nicht wagen, sie hinter seinem Rücken abzusagen.«
    »Dein Vater hat mir die Verantwortung für die Vorbereitungen überlassen«, entgegnete Eunice. »Er würde meine Entscheidung, die Feier abzusagen, unterstützen, wenn er den Grund dafür erfährt.«
    Gwens Augen wurden schmal. »Das würde er nie tun, und du weißt es. Daddy hat mir sein Wort gegeben, und das würde er nie brechen.«
    »Dein Vater verspricht viel«, murmelte Eunice, »und hält wenig.«
    »Er sagt dir, was du hören willst, um dich ruhig zu halten«,gab Gwen zurück. »Er hat mich nie angelogen oder im Stich gelassen – und das wird er auch in Zukunft nicht tun.«
    Clarice sah die Röte auf Eunice’ Wangen und erkannte an den hängenden Schultern, dass sie kapituliert hatte. Das Mädchen hatte offensichtlich ebenso wenig Achtung vor seiner Mutter wie Lionel – und Eunice wusste es. Nur zu gern hätte sie in dieses eigensinnige Gesicht geschlagen, während sie ihre Schwester im Geiste beschwor, ausnahmsweise einmal Stellung zu beziehen – aufzuhören, sich Lionels untergrabender Nachsicht zu fügen, die ihre Tochter in ein verwöhntes Gör verwandelt hatte.
    Doch Eunice hatte keinen Kampfgeist mehr, und sie schwieg.
    Gwens Miene wurde listig. »Er hat das Kleid schon gesehen und ist damit einverstanden. Er hat versprochen, mir den Stoff aus Brisbane zu schicken.« Sie warf den Katalog auf den Beistelltisch und lehnte sich in ihren Sessel zurück, noch immer Spott in ihren Augen, und zwirbelte eins der weißen Haarbänder zwischen den Fingern. »Du solltest dir den Atem lieber für etwas Lohnenderes aufheben als leere Drohungen.«
    »Sprich nicht so mit deiner Mutter«, fuhr Clarice sie an.
    »Ich spreche mit ihr, wie ich will«, sagte sie gedehnt, die Finger zwirbelten das Band weiter.
    »Wenn du dich für elegant genug hältst, solche Kleidung zu tragen, dann solltest du deine Manieren angehen«, erwiderte Clarice, den Rücken vor Verachtung versteift.
    Gwen betrachtete sie ungerührt. »Seit wann hast du die Rolle der Anstandsdame übernommen?«
    »Ich behaupte nicht, Expertin zu sein«, sagte Clarice, »aber ich habe gelernt, dass die Art und Weise, wie man sich benimmt, entscheidend ist. Die Gesellschaft geht allen aus dem Weg, die sich nicht konform verhalten, und es wäre doch schade, gemieden zu werden, noch bevor du aus den Kinderschuhen heraus bist.«
    »Aus denen bin ich schon längst heraus, und ich habe nicht die Absicht, mich von der Gesellschaft ausschließen zu lassen. Ich bin mir durchaus bewusst, wie man sich in der Öffentlichkeit benimmt.«
    »Dann sei so gut und achte auf deine Manieren, wenn du zu Hause bist«, sagte Clarice mit wütendem Funkeln in den Augen. »Für Grobheit gibt es keine Entschuldigung, und sie ist äußerst unschön.«
    »Ich glaube kaum, dass du die Richtige bist, Ratschläge zu erteilen. Du bist nicht gerade der Doyen der Gesellschaft von Sydney, oder?« Ihr kritischer Blick wanderte von Clarice’ sauberen

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