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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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Eunice, es war nicht meine Schuld. Ich habe ihn nie dazu ermutigt.« Sie schaute zur hämisch grinsenden Gwen hinüber, die offensichtlich Spaß an den Folgen ihrer Boshaftigkeit hatte. »Siehst du denn nicht, dass sie uns einfach nur Probleme bereiten will? Bitte, Eunice, du musst dir meine Version der Vorkommnisse anhören und mir glauben, dass ich es nie wollte.«
    »Wenn du nicht gehst, rufe ich einen Diener, um dich hinauswerfen zu lassen.«
    Clarice drückte ihre Habseligkeiten an die Brust. Die Kälte ihrer Schwester ließ ihr Herz beben. Die Familienbande waren durch Gwens boshafte Zunge unwiderruflich durchtrennt worden, und sie sah keine Möglichkeit, sie wiederherzustellen. Tränen vermischten sich mit dem Blut aus ihrer eingerissenen Lippe, als sie aus dem Haus in den Regen hinausstolperte.
    Clarice blinzelte und kehrte wieder in die Gegenwart zurück. Der Regen hatte aufgehört, doch der Himmel war noch verhangen, und das Licht schwand. Sie saß im Zwielicht und starrte in die flackernden Flammen im Kamin.
    Gwen hatte an dem Tag ihre Rache bekommen, wenn auch zu einem schrecklichen Preis für alle Betroffenen. Lionel kehrte nach Sydney zurück, und Eunice blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sein Niedergang ereignete sich schließlich ein Jahr später in einer Reihe von Enthüllungen, welche die Gesellschaft von Sydney erschütterten. Zunächst wurde er in flagranti mit der Frau eines anderen Mannes ertappt, dann stellte die Armee fest, dass er sich Geld aus ihrer Kasse »geliehen« hatte, das er nicht zurückzahlen konnte. Der erste Skandal wurde rasch vertuscht, doch als er unehrenhaft entlassen wurde, war die Gerüchtewelle nicht mehr aufzuhalten.
    Algernons Wut als Reaktion auf die Ereignisse war schrecklich, und sie befürchtete schon, dass sein Herz der Belastung nicht standhalten würde. Er kam schließlich zu der Überzeugung, dass Karriere und Ritterwürde aufgrund der Verbindung der beiden Familien gefährdet waren. Natürlich hatte er ihr die Schuld gegeben, und sie hatte keine Möglichkeit gehabt, sich gegen seine Vorwürfe zu verteidigen. Doch seine Wutanfälle waren nichts im Vergleich zu ihrer Sorge um Eunice, und obwohl ihre Briefe ungeöffnet zurückgeschickt worden waren, schrieb sie ihr weiter, bat sie um Vergebung und bot Liebe und Unterstützung an.
    Clarice hielt ihre Hände vor die Flammen, doch deren Hitze reichte nicht, um ihren Erinnerungen die Kälte zu nehmen. Lionel war es gelungen, sich eine kleine Bürostelle in Brisbane zu sichern – der Familie wäre es unmöglich gewesen, nach England zurückzukehren, denn die Nachrichten über seine Schande würden ihnen folgen. Doch Eunice hatte Lionel nicht nach Brisbane begleitet. Sie hatte endlich akzeptiert, dass ihre Ehe vollkommen zerrüttet war, und Gwen mit nach Hobart in Tasmanien genommen. Clarice konnte nur vermuten, dass sie auf die Insel geflohen war, um nach der einengenden Atmosphäre in Sydney Anonymität zu finden.
    Tasmanien war damals zwar nur dünn besiedelt, dennoch entstanden Gerüchte, die sich schon bald über die Bass Strait auf das Festland verbreiteten und Clarice beunruhigten und quälten.
    Gwens Hass auf ihre Mutter war durch das fortgesetzte, verletzende Schweigen Lionels weiter angefacht worden, und ihr ungehöriges Benehmen sprach sich nur allzu schnell herum. Eunice hatte sich in ein kleines Haus mit Blick über den Derwent verkrochen und wurde nur selten gesehen. Doch Nachrichten über ihre Gebrechlichkeit hatten Clarice verzweifeln lassen, und sie hatte tagtäglich geschrieben. Nie war eine Antwort gekommen.
    Neuigkeiten über Lionel waren von Brisbane nach Sydney durchgesickert, und Clarice war nicht überrascht gewesen, als sie erfuhr, dass er offen mit der Tochter eines ehemaligen Strafgefangenen zusammenlebte und allmählich den Ruf eines ruchlosen Trunkenboldes erlangt hatte, der mit seinem Pferdewagen gern an Jahrmarktsrennen teilnahm. Es hatte nicht lange gedauert, bis er seine Stelle verloren hatte.
    Algernon war gezwungen, zwei Jahre später als geplant in Pension zu gehen, aber wenigstens war er zum Ritter geschlagen worden. Dennoch vermochte er die Ehre nie vollständig auszukosten, denn die Belastungen der vorangegangenen beiden Jahre hatten ihren Tribut gefordert, und er starb nach wenigen Wochen im Ruhestand.
    Clarice schloss die Augen und kehrte ins Frühjahr 1891 zurück. Sie hatte Algernon nie geliebt, doch sein Tod war ein furchtbarer Schock für

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