Himmel un Ääd (German Edition)
produzierte, Enzyme freisetzte, Moleküle spaltete, Nährstoffe
weiterleitete und den Gurkenrest im Darmsystem diskret beseitigte.
Wie immer der perfekte Mord.
Cüppers Kopf versuchte unterdessen, die Frau
verschwinden zu lassen, mit der er die letzten sechs Jahre verbracht hatte, was
sich als wesentlich schwieriger erwies.
Ich sollte mich betrinken, dachte er schließlich, weil
ihm partout nichts Besseres einfiel. Zählen darf nur der Alkoholgehalt. Kein
Genuss! Jeder, der fernsieht oder Bücher liest, weiß, dass verlassene Männer betrunken
durch die Straßen irren, was in den seltensten Fällen auf einen Brunello di
Montalcino oder einen Mouton Rothschild zurückzuführen ist.
Aber er wollte sich nicht betrinken.
Halt die Spielregeln ein, schalt er sich. Die Sache
wird dir doch wohl einen ordentlichen Suff wert sein.
Also gut, betrinken. Die Tankstelle in der Riehler
Straße, nah genug, um den Gedanken ernsthaft in Erwägung zu ziehen, bot für
wenig Geld einen so sündhaft schlechten Weißen, dass jeder Trennungsschmerz im
anschließenden Sodbrennen rückstandslos zersetzt würde.
Trennungsschmerz? Pah!
Nein, er hatte Wut, und die verdiente etwas anderes.
Beispielsweise könnte man sich in ein Taxi setzen, die Kyffhäuserstraße
ansteuern und einen Besuch im La Société abstatten, das über den Vorzug eines
respektablen Weinkellers gebot. Es mochte gelingen, dem Patron die eine oder
andere Flasche Bordeaux abzuschwatzen. Wozu hatte man Freunde?
Dann fiel ihm ein, dass er noch einen 89er Pio Cesare
im Keller hatte. Aber der würde bis morgen warten müssen. Pio Cesare schmeckte
Cüpper am besten zu Geschnäbeltem. Also früh in die Stadt, auf der
Apostelnstraße eine Ente kaufen, eine schöne französische Flugente mit Hals und
Arsch und Innereien. Dann die ganze Ente ganz alleine fressen, ohne die Frau,
um derentwegen er sich fast mit Blanc de Blanc vergiftet hätte.
Doch nicht Cüpper.
Bei dem Gedanken an die Ente lief ihm mehr Wasser im
Mund zusammen als durch die Haare.
Eine Ente, ja! Und vorher ein Salat. Mit Gurke.
BAZAAR
Schramm konnte nicht schlafen.
Am Nachmittag hatte ihn der Fabrikant aus München
angerufen und Konkurs vermeldet. Die siebzehn Seidenhemden könne er nun leider
nicht mehr liefern. Die zehn Mäntel auch nicht, von den bestellten vierzehn
Sakkos immerhin sechs, zwei davon mit kleinen Fehlern, wer sei schon perfekt?
Schramm hatte sich unter Einhaltung der gängigen
Höflichkeitsfloskeln nach seinem Geld erkundigt, als gäbe es auch nur den Hauch
einer Chance, es wiederzusehen.
Das Geld? Ja, das sei weg.
Wo es denn sei?
Na, weg. Der Fabrikant war sehr gelassen. Schließlich
war er pleite.
Schramm war in seinem Laden hin- und hergelaufen und
hatte sich verflucht. Das war mittlerweile an der Tagesordnung. Er verfluchte
sich, wenn er die Preise auf ein Level runtersetzen musste, das Leute in sein
Geschäft lockte, die er dort nicht sehen wollte. Er wechselte viermal täglich
die Krawatte und verwickelte seine Kunden in Gespräche über den Vormarsch der
spanischen Avantgarde, bis er sich selber nicht mehr hören mochte. Er tat
verständnisvoll, wenn sich die Leute mit plötzlichem Blick auf die Uhr zum
Bäcker empfahlen und versicherten, in zehn Minuten wieder da zu sein und zu
kaufen, was sie nicht mal hatten anprobieren wollen. Allmählich wurde sein
Gesicht so grau wie sein Haar, das er einmal wöchentlich nachschneiden ließ. Er
stellte fest, dass man in Maßanzügen nicht die Schultern hängen lassen sollte,
weil das blöde aussieht. Durch die Scheiben seines großen, straßenwärts
gewandten Schaufensters studierte er mit eingefrorenem Lächeln die
Vorbeieilenden und suchte nach Herren, die es auszustatten gäbe, egal, mit was,
Hauptsache, sie zahlten.
Und er verfluchte sich selbst.
Herrenausstatter! Warum war er nicht Friseur geworden?
Haare wuchsen immer.
Wütend rieb er sich die Augen, legte sein Kopfkissen
von rechts nach links, machte einen Kniff rein, drückte ihn wieder raus,
strampelte die Decke weg, drehte sich auf den Rücken, auf die Seite, auf den
Bauch, stand auf und aß ein Käsebrot, wozu er Wodka trank. Danach rebellierte
sein Magen, und er musste raus auf die Terrasse. Es war kurz nach Mitternacht.
Heftiger Regen schlug ihm ins Gesicht und klatschte
auf das Glasdach des Bazaar gleich unter ihm.
Wie passend, dachte er. Wie nett!
Im Stakkato begann er, seine Wohnung zu durchmessen,
auf und ab. Immer wieder rechnete er nach, was ihn die Katastrophe
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