Himmel un Ääd (German Edition)
fünfzigtausend?«, echote ich, und dann fielen mir Chidamber und sein Geld
ein. »Und weil sie für den Meisterkurs dringend Geld brauchte, hat sie
sechstausend Euro Schweigegeld von Pfeifer gefordert?«
»So in etwa«,
wiederholte Brandt. »Nach zähen, hartnäckigen Verhören hat er zugegeben, dass
sie ihn erpressen wollte, er sich aber niemals erpressen lässt. Erst sei ihm
nur die Hand ausgerutscht, sagt er, aber dann habe er sie in seiner Wohnung so
lange geprügelt, bis sie stürzte und sich das Genick brach. Er habe sie dann zu
Eilerts Boot geschafft und in den Rhein geworfen. Es kam ihm sehr zupass, dass
er davor den Streit zwischen Nowak und Matuschek miterlebt hatte. So konnte er
den Verdacht auf Matuschek lenken. Wie gesagt, es waren zähe, hartnäckige
Verhöre, bis Pfeifer das alles zugegeben hat.«
Brandt schüttelte
sich so, als wollte er den Dreck des Verhörs loswerden. Dann deutete er auf die
offene Stahltreppe, die zur Aussichtsplattform führte.
»Wollen wir?«,
fragte er. Ich nickte. »Ihr Freund war übrigens erst nach Pfeifers Geständnis
wirklich entlastet«, sagt er, bevor er mit den Händen nach dem Geländer der
Stahltreppe griff.
»Exfreund«,
korrigierte ich ihn.
Ein überraschter
Blick, dann begann Brandt mit dem Aufstieg.
Ein heftiger Wind
pfiff durch die steinernen Bögen des Turms und trieb uns Regenschwaden ins
Gesicht. Der Blick über die Stadt war grau in grau. Die Braunkohlekraftwerke im
Westen und das Bergische Land im Osten waren kaum zu erkennen. Die rauchenden
Schlote von Wesseling nur Schemen in einer Regensuppe.
»Man wird nicht
immer mit einem klaren Blick belohnt, wenn man nach oben steigt.« Brandt setzte
sich seine Kapuze auf und schaute in die Ferne.
»Es war nicht nur
Habgier«, sagte ich in Gedanken immer noch bei Pfeifer. »Das ›El Solare‹! Der
Traum von einem eigenen Hotel. Der Traum von Reichtum und Wohlstand! Dafür hat
er das alles getan, dafür ist er über Leichen gegangen. Rücksichtslos, sich
selbst überschätzend, menschenverachtend, andere mit sich in den Abgrund
ziehend. Gefühllos und gefährlich wie seine Schlangen.«
Brandt schubste
mich leicht an und deutete nach Westen, wo der Himmel einen Spaltbreit aufriss
und sich ein Streifen wässriges Blau zeigte.
»Was machen Sie
denn jetzt mit der ›Weißen Lilie‹?«, fragte er mich. »Sie wissen ja. Wenn
Pfeifer verurteilt wird, verfällt sein Anspruch auf das Erbe.«
»Mal sehen, wer
das Haus dann unter die Finger kriegt und was der für Pläne damit hat«,
antwortete ich. »So schnell gebe ich nicht auf.«
»Und wenn Eilert
es kauft?«
»Das wird sich
zeigen.«
Eilert würde mit
seiner Kette spinnengleich das Land überziehen, so standen die Zeichen der
Zeit. Erst wenn es überall nur noch Einheitsbrei zu essen gab, würden die
Menschen merken, was sie freiwillig und leichtsinnig aufgegeben hatten. Wenn
sie sich dann noch an wirklich gutes Essen erinnern konnten! Aber schon Don
Quijote hatte gegen Windmühlen gekämpft, José Bové im Kampf gegen McDonald's
gezeigt, dass Widerstand sich lohnte, und manchmal erreichten auch die Großen
nicht all das, was sie erreichen wollten.
»Kommt Zeit, kommt
Rat«, fügte ich hinzu und wunderte mich, wie locker ich das sagen konnte. Aber
jetzt, wo Ecki in unserer Beziehung nicht mehr den Leichtigkeitspart spielte,
musste ich ihn selbst übernehmen. »So oder so«, sagte ich zu Brandt. »Sie
sollten bald mal zu mir zum Essen kommen.«
Brandt zog seine
Kapuze ab, weil der Regen aufgehört hatte, und lachte.
»Ich stell Ihnen
sogar ein Extratischchen auf, damit Sie alleine essen können.«
»Ach, wissen Sie,
ich würde es durchaus mal an der großen Tafel probieren. So ungesellig, wie ich
manchmal tue, bin ich gar nicht.«
Nicht nur der
Regen hatte aufgehört, auch der Spalt Himmelsblau zwischen den grauen Wolken
war größer geworden. Die Sonne schickte ein paar Strahlen hindurch, und ein
Regenbogen spannte sich vom Vorgebirge bis ins Braunkohlerevier.
Purer Kitsch,
dachte ich und merkte doch, wie mich die Aussicht auf strahlendere Tage froh
machte.
SCHAUMSCHLÄGEREIEN
Was immer
Katharina in diesem Buch an Schaumschlägereien aufdeckt, ist erfunden.
Gelegentlich werde ich darauf angesprochen, wie die »Weiße Lilie« in
Köln-Mülheim so läuft und ob ich mich mit einem Restaurant in dieser Lage über
Wasser halten könne. Es freut mich natürlich, dass die Leser meine Geschichte
für bare Münze halten, mir sogar abnehmen, dass ich eine
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