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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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besten, noch bevor der Abendbetrieb losging.
    »Die Sache mit der
Glasfront find ich echt affengeil.«
    Dany deutete auf
die gläserne Wand, die ich zwischen Küche und Restaurant hatte bauen lassen,
damit die Gäste uns beim Kochen zugucken konnten. Ein Fehler, fand ich heute,
weil mich diese Guckerei oft nervte. Sagte ich aber nicht, keine Zeit für
Diskussionen. Ich sah auf die Uhr. Gut, eine Viertelstunde würde ich uns geben
und Dany dann rausschmeißen.
    »Super Idee, dass
bei dir alle an einem Tisch essen müssen. Table d'Hôte und so. So ein bisschen
französisch war ja immer dein Ding«, schwärmte Dany.
    Ja, meine große
Tafel war im Laufe der Jahre von den Gästen wirklich angenommen worden. Die
Leute mochten dieses familiäre Ambiente mitten in der Großstadt. Vielleicht
funktionierte das aber nur in Köln, weil die Kölner gern und ohne Scheu mit
jedem Fremden quatschten.
    Auf alle Fälle
hatten wir heute wieder Full House, und ich verteilte die ersten Arbeiten: Arîn
das Gemüse, Ecki den Fisch, ich das Fleisch. Während ich die Lammschulter
parierte, erzählte mir Dany, was er gerade so trieb.
    Er hatte ein
Engagement bei einer Rockgruppe, die die nächsten zwei Abende im Mülheimer »Palladium«
spielte. Von den Beatsteaks hatte ich noch nie etwas gehört, aber ich wusste,
dass das ein Job nach Danys Geschmack war. Im Gegensatz zu mir hatte Dany nie
mit feiner Küche Karriere machen wollen.
    Nach dem jähen
Ende des »Goldenen Ochsen« suchte er sich eine ungewöhnliche Arbeitsstelle nach
der anderen. Eine Saison hatte er auf einer österreichischen Alm gekocht, ein
Jahr in einer französischen Klosterküche und war dann irgendwann nach Köln
zurückgekehrt. Jetzt kochte er also für eine Rockgruppe, die mir überhaupt
nichts sagte.
    »›Kanonen auf
Spatzen‹ ist meine Lieblings- CD von denen«, rief
Arîn begeistert. »Sind die live so witzig wie in ihren Videos?«
    »Noch besser! Die
sind schon verdammt cool, die Jungs.«
    Ich ließ die zwei
über Musik fachsimpeln und dachte wieder an Minka und ihr Schulheft. Sie konnte
die Informationen über die »Weiße Lilie« nicht für sich selbst gesammelt haben.
Aber für wen dann? Was hatte Kurt Berger bei meinem Großmarkteinkauf erzählt?
Dass schon wieder zwei gut eingeführte Kölner Restaurants aufgegeben hatten,
weil sie von einer Restaurantkette verdrängt wurden.
    Ketten! Schon wenn
ich daran dachte, stieg mir die Galle hoch! Lebensmittel, Kühlschränke, Möbel,
Fotos, Kosmetika, alles gab es nur noch in Ketten. Bald würde es auch Bücher,
Kunst und Beerdigungen nur noch in Ketten geben. Soziale Kontakte, Tanz-,
Geschäfts-, Sport- und Ehepartner, alles konnte man über Ketten buchen.
Quadratisch, praktisch, gut, durchschnittlich, langweilig. Wo blieben das
Besondere, die Lust auf Ausreißer, das Schräge, das Eckige, das Verbotene?
    Ich bekam
Brechreiz bei der Vorstellung, dass Leute bei Reisen nach Rom, Paris oder Tokio
freiwillig in den gleichen Fresstempeln aßen wie zu Hause. Freiwillig! Ohne
einmal regionale Spezialitäten zu probieren.
    Natürlich wusste
ich, dass in der Gastronomie Ketten schon lange auf dem Vormarsch waren. Aber
all die Hamburger-, Fritten- und Pizza-Läden bedienten doch eher den
Low-Budget-Bereich. In der gehobenen Gastronomie zahlte sich Individualität und
persönliche Handschrift noch aus. Bisher war ich jedenfalls nur wegen zu
wenigen Gäste, Lebensmittelkontrolleuren, Schutzgelderpressern oder eines nicht
verlängerten Pachtvertrags nervös geworden. Musste ich mir jetzt wegen einer
Ketten-Konkurrenz Sorgen machen?
    »Was? Das
›All-inclusive‹?«, rief Arîn aus. »Aber da arbeitet Minka als Garderobiere,
wenn sie nicht bei uns auf dem Spülposten steht.«
    »›All-inclusive‹?«
Ich horchte auf. Hatte Kurt Berger nicht auch davon gesprochen?
    »Was ist das für
ein Laden? Arbeitest du da?«, fragte ich Dany.
    »Eher gehe ich
stempeln«, schwor Dany. »›Himmel auf Erden‹, wo ich gearbeitet habe, ist von
denen plattgemacht worden. Helen Maibach, der der Laden gehörte, dreht seither
ziemlich am Rad und versucht, den ›All-inclusive‹-Leuten an den Karren zu
pissen. Glaub nicht, dass sie was erreichen wird. Ich bin froh, dass Eigentum,
Karriere und so nicht mein Ding sind. Ich mach, was kommt. Rockgruppen
verköstigen, Guerilla-Kochen und so weiter. Und bei dir läuft es gut?«
    »Kann nicht
klagen«, antwortete ich und fügte in Gedanken »noch nicht« hinzu. Hatte Minka
etwa für »All-inclusive«

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