Himmel un Ääd (German Edition)
Steuerberater abheftete.
Wie hatte Minka
diese Informationen zusammengetragen? Wozu brauchte sie sie?
»Komm mal her«,
rief ich in die Küche, und als Arîn kam, zeigte ich ihr das Heft. »Weißt du,
was das soll? Warum hat sich Minka alles über die ›Weiße Lilie‹ notiert?«
»Ich habe keine
Ahnung«, murmelte sie überrascht.
»In Läden, die
größer sind als der unsrige, nennt man das Werksspionage.«
»Spionage? Jetzt
übertreibst du aber.«
»Wie würdest du
das sonst nennen? Diese Informationen können nur der Konkurrenz nutzen.«
»Was denn für
Konkurrenz?«, echote Arîn blöd.
»Was weiß ich?«,
polterte ich zurück und merkte an der Lautstärke meiner Stimme, wie sehr mich
diese Entdeckung aufregte. »Vielleicht ist das Heft der Grund, weshalb sie
nicht mehr in die ›Weiße Lilie‹ kommt? Die kann was erleben, wenn sie
wiederauftaucht.«
»Bestimmt gibt es
eine Erklärung dafür«, verteidigte Arîn die Freundin tapfer.
»Darauf bin ich
wirklich gespannt«, erwiderte ich und steckte das Schulheft ein. Minka Nowak,
meine stille Spülfrau, wurde mir langsam unheimlich.
»Hat Minka dich
mal ausgefragt, wie es in der ›Weißen Lilie‹ war, bevor sie bei uns angefangen
hat zu arbeiten? Wollte sie von dir wissen, wie ich den Speiseplan mache oder
die Preise kalkuliere?«, löcherte ich Arîn auf dem Rückweg mit Fragen.
»Klar haben wir
über die Arbeit geredet, aber doch nicht über Preise und so was. Ich habe ihr
zum Beispiel erzählt, wie es war, als Holger noch in unserer Brigade war, oder
wie sie die Betonleiche im Altenheim gefunden haben. Aber sie hat mich nicht
ausgefragt. Das hätte ich doch gemerkt.«
»Es sei denn, sie
war sehr raffiniert.«
Der scheuen,
verhuschten Minka hätte ich niemals zugetraut, dass sie heimlich Informationen
über die »Weiße Lilie« sammelte. Stille Wasser … Ich traute eigentlich allen,
die bei mir arbeiteten, ohne gegenseitiges Vertrauen funktionierte so ein
kleiner Betrieb nicht. Selbst wenn sich meine Befürchtungen in Luft auflösten
und Minka diese Informationen aus ganz harmlosen Gründen gesammelt haben
sollte, nahm ich es ihr übel, dass sie mein Vertrauen missbraucht hatte.
»Hinterlistig und
gemein ist das«, schimpfte ich. »Wenn sie etwas wissen wollte, hätte sie mich
doch fragen können.«
Aber sie hatte
nicht gefragt, weil man solche Informationen nicht aus Jux und Dollerei
sammelte. Für wen war es interessant, Interna aus der »Weißen Lilie« zu kennen?
Für jemanden, der ein eigenes Restaurant aufmachen wollte? Aber Minka wollte
nicht in die Gastronomie, sie wollte ins Massage-Fach. Und jeder
Gastronomie-Anfänger bekam Informationen zur Gründung eines Betriebs bei der
Industrie- und Handelskammer gratis. Konkurrenz? Wer sollte das sein? In
Mülheim gab es drei, vier Restaurants, in denen man gut essen konnte. Wir
existierten seit Jahren friedlich nebeneinander, hatten alle unsere Nische
gefunden. Wenn in Mülheim ein neues Restaurant aufmachen sollte, hätte sich das
in der Szene herumgesprochen, aber ich hatte nichts gehört. Also wozu?
»Ich fange mit
Spargelschälen an«, sagte Arîn beim Aussteigen. »Oder hast du andere Pläne?«
»Und du hast
wirklich keine Ahnung, warum sie die Informationen gesammelt hat?«, fragte ich,
als ich die »Weiße Lilie« aufschloss.
»Ich versteh das
nicht. Das passt doch gar nicht zu ihr. Sie interessiert sich überhaupt nicht
für Küche und Kochen«, polterte Arîn unglücklich.
Auch sie schien
der Fund des Schulheftes durcheinandergebracht zu haben. Ich hatte nicht den
Eindruck, dass sie mit Minka unter einer Decke steckte oder dass sie mich
anlog, um Minka zu schützen. Oder doch?
Das war das Fatale
an Enttäuschungen, man wurde misstrauisch. Ich verfluchte Minka und das
verdammte Heft. Sie hatte mich betrogen, nur sie. Arîn war mir gegenüber immer
loyal gewesen wie alle meine Mitarbeiter –
»Das Telefon«,
unterbrach sie meine Gedanken. »Soll ich gehen oder …«
»Ich geh schon.
Fang mit dem Spargel an.«
Es war Sabine
Mombauer, die anrief. »Ich muss Sie so schnell wie möglich sprechen. Passt es
Ihnen, wenn ich gleich vorbeikomme?«
Darum musste ich
mich kümmern, das war meine Baustelle. Minka konnte warten. Also konzentrierte
ich mich auf Sabine Mombauer. War es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen,
dass sie mich so dringend sprechen wollte?
Keine Minute
später stakste Mombauers Tochter in die »Weiße Lilie«. Sie musste bereits beim
Telefonieren im Haus
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