Himmel un Ääd (German Edition)
Uhr, sagten Sie?«
»Ostfriedhof«,
ergänzte sie beim Aufstehen und griff umständlich nach meiner Hand. »Ich bin
Ihnen ja so dankbar.«
»Das machen wir
doch gerne.«
Sie nickte
automatisch und ging in Richtung Ausgang. »Wenn nur der morgige Tag schon
vorbei wäre«, jammerte sie leise, bevor sie die Tür hinter sich schloss.
Obwohl ich mal
wieder ohne jegliches diplomatische Geschick agiert hatte, fand ich, dass ich
mich in dem Gespräch nicht schlecht geschlagen hatte. Zumindest versaut hatte
ich nichts. Sogar richtig stolz war ich, dass ich ihr, ohne rot zu werden, den
Fünf-Jahres-Vertrag als beschlossene Sache verkauft hatte.
Aber was nützte
mir das? Sabine Mombauer war keine Frau mit Handschlagqualität. Ihre Welt war nicht
trittsicher. Ärmel-hochkrempeln-und-durch kannte sie nicht. Biegsam wie ein
Schilfrohr kam sie mir vor. Sie war eine, die man schubsen konnte und die sich
dann mal zu der einen, mal zu der anderen Seite neigte.
Dafür erwachte in
mir frischer Kampfgeist. Für die »Weiße Lilie« würde ich in voller Rüstung und
mit ganzem Einsatz ins Feld ziehen.
Wenn ich an diesen
Mittwochnachmittag zurückdenke, dann sehe ich mich nicht in voller Rüstung
kämpfend. Nein. Ich sehe immer den Kopf des Knurrhahns vor mir. Wie er da vor
mir auf dem Boden lag. Wie die nagelspitzen Zähne in seinem breiten, hässlichen
Maul nichts Gutes verhießen. Wie er mich aus toten Augen blöd anstarrte. So
blöd, wie ich wahrscheinlich Ecki angestarrt hatte, nachdem er den Fisch
geköpft hatte.
An diesem Tag war
mein Liebster erstaunlich früh und sichtlich gut gelaunt zur Arbeit gekommen.
Mich begrüßte er mit einem leidenschaftlichen Kuss, Arîn mit einer angedeuteten
Verbeugung. Beschwingt schlüpfte er danach in seine Kochjacke und band sich sein
schwarzes Tuch um den Kopf. Dann sah er immer ein bisschen wie ein
abenteuerlicher Pirat aus. So liebte ich meinen Ecki. Ich mochte es, wenn er
seine Leichtigkeit und seinen Optimismus in unsere Küche brachte. Die letzte
Nacht hatte uns beiden gutgetan.
»Wie geht's, wie
steht's?«, fragte er Arîn, und die erzählte ihm sofort von Minkas Verschwinden.
Ecki hatte dafür
eine einfache Erklärung, auf die bisher keine von uns beiden gekommen war.
»Vielleicht ist s' nach Polen? Was Familiäres?«, schlug er vor.
Arîn griff gierig
nach diesem Strohhalm. Die Vorstellung erleichterte sie, dass Minka
überraschend nach Hause gemusst hatte. Polen erklärte für Arîn auch, warum
Minka nicht an ihr Handy ging.
Aber ich glaubte
nicht an eine Familienangelegenheit, ich glaubte, dass Minkas Verschwinden
etwas mit dem verräterischen Schulheft zu tun hatte. Es macht mich heute nicht
froh, dass ich in diesem Punkt den richtigen Riecher gehabt hatte.
Ecki griff nach
Schleifstein und Messer, und ich holte Minkas Heft aus der Tasche und legte es
vor ihm auf den Tisch. Erst scharrte das Messer noch munter über den Wetzstein,
aber je weiter Ecki las, desto langsamer wurden seine Bewegungen, bis er Messer
und Schleifstein ganz zur Seite legte und nach dem Heft griff.
»Das gibt's doch
nicht«, wiederholte er ein paarmal und blätterte vor und zurück. Die Sache traf
ihn nicht weniger hart, als sie mich getroffen hatte. Vertiefen konnten wir das
Thema nicht, weil Eva eintraf. Nicht dass Eva die Neuigkeiten nicht hören
sollte, aber sie kam nicht allein in die Küche.
In ihrem
Schlepptau war jemand, den ich schon ein paar Monate nicht mehr gesehen hatte.
Wilde Dreadlocks zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, immer noch dürr wie
ein Strich – Dany brachte die Erinnerung an die Spielmann'sche Küche in die
»Weiße Lilie«.
»Ich hab in der
Gegend zu tun und wollt mal Hallo sagen.« Die Hände in den Hosentaschen,
grinste er mich schief an.
Ich mochte den
schlaksigen Kerl, wirklich. In Spielmanns »Goldenem Ochsen« hatten Dany, Holger
und ich gemeinsam auf dem Gardemanger-Posten gearbeitet. Dany als Lehrling,
Holger als Commis und ich als Chef de Partie. Wir drei waren ein tolles Team
gewesen und hatten ein paar wirklich harte Sachen miteinander durchgestanden.
Das verband uns bis heute. Bevor Holger nach Paris gegangen war, hatte er bei
mir in der »Weißen Lilie« gearbeitet, und Dany kam gelegentlich
hereingeschneit. Spontan, unangemeldet, so wie heute.
Eigentlich freute
ich mich immer, ihn zu sehen, aber heute passte mir sein Besuch gar nicht in
den Kram. Die Minka-Sache drückte, außerdem musste ich in Ruhe mit Ecki über
die Mombauer-Wohnung reden, am
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