Himmel un Ääd (German Edition)
doch was g'sagt, wenn der Ecki die Zähn nicht
auseinanderkriegt.«
»Wann denn?«,
höhnte ich kochend vor Wut. »Wenn er über alle Berge ist? Nachdem er
ausgerastet ist und sie umgebracht hat?«
Jetzt hatte ich
das Unmögliche ausgesprochen und merkte sofort, dass das nicht das Schlimmste
war. Das Schlimmste war Kunos Blick, der mir nicht widersprach. Auch Kuno hielt
das Unmögliche für möglich. Vielleicht weil ihm das sein alter Bulleninstinkt
sagte, vielleicht weil sein Buschfunk bei der Polizei ihm etwas zugetragen
hatte. Ecki war ein Mörder.
Das Buschfeuer
drohte mich zu verbrennen. Ich sprang auf, raste ins Badezimmer, hielt den Kopf
unter kaltes Wasser. Dem Gesicht, das ich danach im Spiegel sah, traute ich
nicht mehr. Ich blickte hinunter ins Waschbecken. Das Wasser brach sich am Rand
des Beckens, rauschte zurück in den Abfluss und gurgelte durch das Abwasserrohr
davon. Ich folgte dem Wasser bis zur hohen See, sah mich inmitten peitschender
Wellen. Das Meer ein geiferndes Ungeheuer, der Himmel von brutaler
Gleichgültigkeit. Von nirgendwo Rettung in Sicht.
Doch. Ich hob den
Kopf. In dem fremden Gesicht im Spiegel loderte wilde Entschlossenheit auf.
Sabine Mombauer. Die »Weiße Lilie«. Ich würde mir von Ecki nicht alles kaputt
machen lassen.
Die
Umleitungsschilder unter der Mülheimer Brücke und die immer noch über den
Straßen flatternden blau-weiß-roten Fähnchen riefen mir ins Gedächtnis, dass
heute der Schützenfestumzug durchs Viertel paradierte. Es dauerte, bis ich
durch das Gewirr der Umleitungen endlich von der Mülheimer Freiheit in die Regentenstraße
abbiegen konnte. Wie ein Sechser im Lotto kam es mir vor, dass direkt vor der
»Weißen Lilie« noch ein Parkplatz frei war. Die Keupstraße, das wusste ich aus
den letzten Jahren, war für den Zug gesperrt, der bog nämlich genau vor der
»Weißen Lilie« aus Richtung Süden kommend von der Regentenstraße in die
Keupstraße ab.
Ich sah auf die
Uhr, ich war pünktlich, diesmal würde ich Sabine Mombauer nicht warten lassen.
Ich rief mir noch einmal die kritischen Punkte in Erinnerung, die ich mit dem
alten Mombauer besprochen hatte und die ich im Vertrag geregelt haben wollte.
Fünf Jahre, länger mochte ich auch bei seiner Tochter nicht unterschreiben.
Beim Versuch,
auszusteigen, presste mich eine dieser widerlichen Hitzewellen in den Sitz
zurück. Ich transpirierte aus allen Poren, innerhalb weniger Sekunden klebten
meine Schenkel aneinander, und das Sommerkleid an meinem Rücken saugte sich mit
Schweiß voll.
Als die Attacke
vorbei war und ich nach dem Türöffner griff, zerriss ein schriller Schrei die
Luft, und etwas Schweres donnerte auf mein Autodach. Das Dachblech beulte sich
nach innen und drückte mir auf den Kopf.
Automatisch duckte
ich mich, schützte den Kopf mit den Händen und verbarg mein Gesicht unter den
Unterarmen. Mein Herz raste. Ich dachte an Erdbeben und das Letzte Gericht und
wartete auf den nächsten Schlag. Aber der folgte nicht. Stattdessen hörte ich
Trommelschläge, und leise drang das Glockenspiel eines Spielmannszugs an meine
Ohren. »Schön ist es, auf der Welt zu sein« spielten sie. Der Umzug und die
Schützen fielen mir ein, und ich wusste, dass die bestimmt nicht bei Erdbeben
marschierten.
Erleichtert ließ
ich meinen Kopf los, öffnete die Augen und starrte direkt auf das Blut, das
über die Frontscheibe lief. Von einer Stelle aus verteilte es sich in kleinen
Rinnsalen über das Glas wie ein rotes Spinnennetz. Wieso war da Blut? Ich
verstand gar nichts mehr. Mit zittrigen Fingern nestelte ich am Sicherheitsgurt
herum, und dann passierte alles gleichzeitig.
Der Spielmannszug
verstummte, Schreie gellten durch die Straße. »Sie ist einfach gesprungen!«,
hörte ich jemanden rufen. Leute umringten mein Auto, deuteten auf die
Windschutzscheibe und immer wieder nach oben. Im Auto sitzend konnte ich nicht
sehen, wohin. Jemand öffnete mir die Tür und half mir aus dem Wagen. Blut
verschmierte auch die Motorhaube.
Auf wackeligen
Beinen stolperte ich um das Auto herum, drängelte mich in die Menschentraube
auf dem Bürgersteig und sah Sabine Mombauer mit verrenkten Gliedern, toten
Augen und nackten Füßen in einer Blutlache liegen.
»Wir müssen die
Polizei rufen«, rief einer.
»Wie furchtbar!«,
rief ein anderer.
Meine Zähne
klapperten, und meine Beine wollten mich nicht mehr länger tragen. Alles drehte
sich. Jemand griff mir unter die Arme, ich fühlte den sehr rauen Stoff
Weitere Kostenlose Bücher