Himmel un Ääd (German Edition)
wie ich die
Spurenlage in dem Raum einschätzen kann, aus dem sie gesprungen oder gefallen
ist. Da ist einiges sehr untypisch und spricht gegen Selbstmord, aber das ist
noch kein Beweis für einen Mord. Wir müssen jetzt die Ergebnisse der Obduktion
abwarten. Vielleicht bringen die neue Erkenntnisse.«
»Sie ist nicht
gesprungen«, murmelte ich trotzig in meinen Teerest.
»Von der Statistik
her muss ich Ihnen widersprechen. Zwei Selbstmorde, innerhalb einer Woche, die
sich als Morde …« Er versuchte es mit einem Lächeln, aber darauf sprang ich
nicht an. »Kann ich noch kurz auf unseren anderen Fall zurückkommen?«,
erkundigte sich Brandt dann vorsichtig. »Deshalb bin ich nämlich eigentlich
hier.«
»Ecki hat sich
nicht bei mir gemeldet, falls es das ist, was Sie wissen wollen. Wenn er es
getan hätte, hätte ich ihn Ihnen mit Freuden ans Messer geliefert. Aber er muss
gestern in unserer Wohnung gewesen sein. Er hat sich seinen Reisepass geholt.«
»Phase zwei«, nickte
Brandt. »Trotz und Wut, der Trennungsprozess schreitet voran. Ob Ihnen meine
Neuigkeiten beim weiteren Verlauf helfen, weiß ich allerdings nicht. Es sieht
nämlich nicht gut aus für Ihren Freund. Wir wissen mittlerweile, dass sich Herr
Matuschek am Tage des Streits ein Motorboot geliehen hat, das einem Herrn
Eilert gehört, der wiederum der Chef von ›All-inclusive‹ ist.«
Na los, prügelt
ruhig weiter auf mich ein, hätte ich am liebsten geschrien. Noch einen Schlag
mehr ins Kontor, darauf kam es nun wirklich nicht mehr an! Ich fasste es nicht,
dass Ecki mit diesem Giftzwerg Eilert so eng war, dass er sich ein Boot von ihm
auslieh!
»In diesem
Motorboot haben wir die Handtasche von Frau Nowak gefunden. Das verstärkt den
Verdacht gegen Herrn Matuschek. Deshalb habe ich ihn gestern zur Fahndung
ausschreiben lassen.«
Eilert, Minka,
Ecki. Neue Abgründe. Wie weit ging Eckis Verrat? Ich wagte es nicht,
weiterzudenken. Aus Angst vor dem, was plötzlich möglich schien, umklammerte
ich die Teetasse wie einen Rettungsanker. Als ob mir die Halt geben könnte!
»Entschuldigung«,
unterbrach Eva die Schockstille im Raum. »Was machen wir mit heute Abend? Soll
ich den Gästen absagen?«
»Was sagt die
Gästeliste?«, fragte ich ganz automatisch.
Ȇbliche
Sonntagabendauslastung. Dreißig Voranmeldungen«, wusste Eva.
»Na dann, auf in
den Kampf!« Ich ließ die Tasse los und zwang mich zum Aufstehen. Arbeit,
Alltag, Routine, das waren meine Rettungsanker.
Brandt schickte
mir einen zweifelnden Hundeblick.
»Wenn ich nicht
mehr koche«, erklärte ich ihm, »können Sie mir direkt die Kugel geben.«
Der Weg in die
Kühlräume war weiter als sonst, die Vorräte, wie befürchtet, begrenzt.
Sonntagabend halt. Ich besah mir die Reste und kombinierte.
»Arîn, bei den
Vorspeisen anstelle der Zuckerschoten eine Mousse aus geräucherten Forellen,
und den Spargelsalat ersetzen wir durch eine Suppe aus Petersilienwurzeln mit
marinierten Radieschen. Eva, als Amuse-Bouche eine Scheibe Schwarzwälder auf
geröstetem Graubrot mit Meerrettichschaum«, rief ich in die Küche.
Dann holte ich mir
Fleisch und Fisch aus der Kühlung, schleppte sie in die Küche zu meinem
Arbeitsplatz und begann zu kochen.
An diesem Abend
kochte ich, um zu vergessen. Es funktionierte, ich konnte den Schalter in
meinem Gehirn umlegen. Hände, die ihr Handwerk verstanden, eine Zunge, die
feinste Nuancen schmeckte, Ohren, für die das Klappern der Schneebesen Musik
war, Füße, die fest auf dem Boden standen. All das hatte mich immer geerdet,
und all das gab mir auch jetzt Kraft. Die Köchin in mir hatte keinen Schaden
genommen, und das war gut so.
Wie von selbst
fanden Arîn und ich einen gemeinsamen Rhythmus, Gülbahar stand rechtzeitig auf
dem Spülposten, Eva dosierte die Bestellungen so, dass wir nicht mehr als
üblich in Stress gerieten.
Alles lief gut an
diesem Abend, bis Irmchen Pütz zu später Stunde – wir waren bereits beim
Saubermachen – Sabine Mombauers Tod in die Küche zurückbrachte. Sie trug ihr
Sommerkostüm aus sandfarbenem Leinen mit dem türkisfarbenen Einstecktuch in der
Brusttasche und türkisfarbene Schuhe. Die Haare waren frisch geschnitten und in
Form geföhnt. So schick machte sich Irmchen nur, wenn sie ausging.
Jeden
Sonntagnachmittag traf sie sich mit ihren Freundinnen im Eiscafé »Venezia« auf
der Buchheimer Straße. Heute waren die rüstigen Damen nach Kaffee und Kuchen
bestimmt weiter zum Festzelt der Schützen gezogen, wie die
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