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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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plötzlich
Arîn auf. Mit vor Schreck geweiteten Augen deutete sie auf mein
blutverschmiertes Auto, auf den Leichenwagen, auf den ganzen Irrsinn hier.
Brandt löste behutsam seine Hand aus der meinen und stand auf. Er beugte sich
zu Arîn und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie nickte, bat mich um den Schlüssel,
vom dem ich nicht wusste, wo er war. Sie fischte ihn aus meiner Handtasche,
packte mich am Arm, half beim Aufstehen, ließ mich nicht los, als ich in meinem
Goldmantel mühsam ein Bein vor das andere setzte, so lange, bis wir in der
»Weißen Lilie« standen.
    Der große Tisch,
die Stühle, die alte Anrichte, alles vertraut und fremd zugleich, und dann sah
ich durch die Fenster nach draußen auf das Spielplatzmäuerchen.
    »Da«, sagte ich zu
Arîn und deutete auf die Blutstropfen, die bis hoch ans Fenster gespritzt
waren. »Und da und da!«
    Der Goldmantel
knisterte bei jeder Bewegung.
    »Das mache ich
gleich weg«, versprach sie. »Komm in die Küche, damit du das Blut nicht mehr sehen
musst.«
    Willenlos ließ ich
mich ziehen, willenlos ließ ich mich auf einen Stuhl am Pass drücken.
    »Ich koch dir
einen Tee«, entschied Arîn, und auch das nahm ich einfach so hin.
    Der Goldmantel
rutschte mir von den Schultern. Mir war nicht mehr kalt. Die Sonne, die durch
die Keupstraße in die Küche schien, wärmte mir den Rücken. Mir fiel auf, dass
ihr Licht den Tisch fast mittig teilte. Licht und Schatten, Gut und Böse,
Schwarz und Weiß. Auf dem Tisch war es gerecht verteilt, in meinem Leben nicht.
Das wurde von Tag zu Tag düsterer, da konnte die Sonne noch so eifrig
Schönwetter machen.
    Arîn schob mir
eine dampfende Tasse hin. Fencheltee hatte sie gekocht, den hasste ich wie die
Pest, aber das war egal. Ich legte die Hände um das warme Porzellan und trank
den Tee brav in kleinen Schlucken, weil ich wollte, dass sich der schwere
Klumpen im Bauch löste, weil ich wollte, dass das Zittern aufhörte und mein
Körper mir wieder gehorchte. Ich hörte mein Herz schlagen, immer noch viel zu
schnell, aber immerhin in einem Rhythmus, der nicht mehr wie eine defekte
Tachonadel wild nach ob und unten ausschlug.
    »Frau Schweitzer?«
    Brandt stand
plötzlich neben mir. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben mich.
Vorsichtig stellte ich die Tasse auf den Pass, meine Hände zitterten kaum noch.
Eine schwere, ungesunde Ruhe machte sich in mir breit. Was sollte jetzt noch
kommen? Irgendwie war doch alles egal.
    »Fühlen Sie sich
in der Lage zu reden?«
    Ich nickte und sah
an ihm vorbei auf die Schöpfkellen und Schneebesen, die über dem Herd baumelten
und unschuldig auf ihren nächsten Einsatz warteten. Wie spät es wohl war?
Mussten wir schon anfangen zu kochen? Was hatten wir heute für Gäste? Wie sah
es mit den Vorräten aus? Musste ich improvisieren? Sonntag war immer der letzte
Tag vor dem wöchentlichen Großeinkauf.
    »Warum ist Frau
Mombauer Ihrer Meinung nach nicht freiwillig gesprungen?«
    Ich erzählte von
ihrem Anruf, von unserem Gespräch. Meine Stimme klang blechern und fern.
    »Mit Danziger
Goldwasser wollte sie mit mir auf den Vertrag anstoßen«, erklärte ich. »Sie war
klar und entschieden. Erleichtert, fast fröhlich. Keiner bringt sich um, der
beschlossen hat, sein Leben neu zu regeln.«
    »Bei Selbstmördern
gibt es nichts, was es nicht gibt. Viele nehmen die Gründe für ihre Tat mit ins
Grab.«
    Brandt sah mich
wieder mit diesem mitfühlenden Hundeblick an, den ich heute noch weniger
aushielt als an den letzten Tagen. Deshalb lenkte ich meine Augen zu dem
wässrigen Gelb des Teerestes in der Tasse.
    »Trotzdem«,
murmelte ich.
    »Frau Kalay hat
mir bereits erzählt, dass Herr Mombauer keine Tiere in seiner Wohnung hielt.
Wissen Sie vielleicht, ob seine Tochter Haustiere hatte?«, wechselte Brandt das
Thema.
    Tiere? Warum
interessierte sich Brandt in einer solchen Situation für Tiere? Ich verstand es
nicht, aber das war egal.
    »Auf keinen Fall
Reptilien«, fiel mir ein. »Vor denen ekelt sie sich selbst auf Bildern. Aber,
sorry, ist das nicht ziemlich nebensächlich?«
    »Der Notarzt hat
mich auf zwei kleine Einstiche an ihrem Knöchel aufmerksam gemacht«, erklärte
Brandt. »Kann sein, dass sie gebissen wurde.«
    Ich verstand
nicht, was das eine mit dem anderen zu schaffen hatte.
    »Sie trug keine
Schuhe«, murmelte ich.
    »Auch das ist
merkwürdig«, stimmte Brandt mir zu.
    »Also?«, fragte
ich.
    »Ich weiß noch
nicht, was das alles zu bedeuten hat«, erklärte er. »So wenig,

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