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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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vergessen hatte. Ich
habe sie mal zum Kaffee eingeladen, aber sie wollte nicht. Angeblich keine
Zeit, aber ich glaube, das war die Krankheit. Gemütskrank, heute heißt das
Depression. Ist vererbbar, hab ich gelesen. Aber dass die Krankheit die Sabine
gerade jetzt packt, wo der Vater tot ist.« Irmchen schüttelte ungläubig den
Kopf. »Die Ehe soll wohl nicht gut gewesen sein. ›Stumm‹, hat Sabine immer
gesagt. Sie hat immer dem Vater die Schuld am Selbstmord der Mutter gegeben.
Ich meine, sie war siebzehn damals. Da denkt man noch schwarz-weiß. Mit
achtzehn ist sie sofort ausgezogen. Er konnte nicht auf sie zugehen und sie
nicht auf ihn. Wie's halt in manchen Familien so geht. Sie hat dem Vater bis
zum Schluss nicht verziehen.«
    »Doch, hat sie«,
widersprach ich. »Sie wollte Frieden mit der Vergangenheit schließen, so wie du
es ihr geraten hast. Alles entrümpeln, klar Schiff machen, sogar hierher
zurückziehen. Da bringt man sich doch nicht um!«
    »Weißt du's?«
Irmchen deutete auf die Flasche, ich schüttete ihr ein zweites Mal ein. Wieder
trank sie das Glas in einem Zug leer. »Verdammich«, fluchte sie, als sie wieder
Luft bekam. »Der räumt einem wirklich den Magen auf.«
    »Gilt im Badischen
als Medizin.« Ich trank auch einen Schluck. Karin Kilius hatte den Schnaps
gebrannt. Eine junge Brennerin, die es verstand, der Topinambur die Schärfe zu
nehmen und dafür das Nussige der Wurzel zu betonen.
    »Ich frag mich,
was jetzt mit dem Haus wird.« Irmchen hickste leicht, schob mir aber das Glas
noch einmal hin. »Wohin sollen wir denn jetzt die Miete überweisen?«
    »Erst mal weiter
auf Mombauers Konto. Und dann gibt es eine festgelegte Erbfolge«, sagte ich.
»Immer der oder die nächste noch lebende Angehörige. Wenn es im Testament nicht
anders geregelt ist.«
    »Lebende
Angehörige, das ist bei Mombauers leicht, weil es so gut wie keine gibt«,
nuschelte Irmchen, unterbrochen von gelegentlichen Hicksern. »Rosi hatte keine
Geschwister, Mombauer nur eine Schwester, Hanna. Die ist auch schon tot.
Brustkrebs vor zehn Jahren, glaub ich. Sabine war nicht verheiratet und hat
keine Kinder. Hanna hat ein Kind, Tommi. Also Tommi.« Nicht mehr ganz
zielsicher griff sie nach dem Schnapsglas und leerte es. »Der wird das Haus
ratzfatz verkaufen. Den interessiert nur Geld und ein feines Leben.«
    Mit trübem Blick
plierte Irmchen erst das leere Schnapsglas und dann mich an. Sie war keine
geübte Trinkerin.
    »Eigentlich wollte
ich noch ein paar Jährchen warten, bis ich auf den Ostfriedhof ziehe. Aber
jetzt ist es am besten, ich rede mal ein ernstes Wörtchen mit dem Herrgott,
dass er mich schneller nach Hause holt.« Noch ein trüber Blick in meine
Richtung, dann schloss sie die Augen, und ihr Kopf sackte tiefer und tiefer.
    »Wach bleiben,
Irmchen!«, rief ich. Vergebens, denn schon schlug sie mit der Stirn auf dem
Pass auf.
    Ich half ihr auf
die Beine und die Treppen hoch zu ihrer Wohnung, wo sie schon wieder sicher
war, allein klarzukommen. Um mir das zu demonstrieren, schleuderte sie mit
keckem Tritt die türkisfarbenen Pumps von den Füßen und schlüpfte in bequeme
Hausschuhe.
    »Vielleicht ist
Tommi doch nicht so ein Windhund? Sabine hat ja immer an ihn geglaubt«,
beschloss sie und hauchte so dem Abend beim Abschied noch etwas Optimismus ein.
    Nicht mehr, das
wusste ich aus meinem letzten Gespräch mit Sabine Mombauer. Und er erbte das
Haus. Wenn die Ergebnisse der Spurensicherung und der Obduktion ergaben, dass
Sabine Mombauer ermordet worden war, stand er auf der Liste der Verdächtigen
ganz oben. Ungefähr da, wo Ecki beim Minka-Mord positioniert war.
     
    Ich ging zurück in
die »Weiße Lilie«, ließ die Rollläden herunter und schloss die Tür ab. Ein
Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich in zwanzig Minuten noch eine letzte Linie
4 erwischen würde. Die Spurensicherung hatte mein blutverschmiertes Auto zwecks
weiterer Untersuchungen mitgenommen. Ich hatte keine Ahnung, wann ich es
zurückbekam. Egal, jetzt würde ich mich sowieso nicht mehr hinters Steuer
setzen. Zwanzig Minuten.
    Was sollte ich so
lange an der Haltestelle Keupstraße auf die Bahn warten? Die Zeit reichte
üppig, um noch bis zum Wiener Platz zu gehen, und die Nacht war mild. Ein
leichter Wind blies durch die Mülheimer Straßen und ließ die blau-weiß-roten
Fähnchen noch den einen oder anderen Salto turnen oder in fiebriger Hektik hin
und her flattern. So, als wüssten die kleinen Dreiecke, dass sie spätestens
morgen wieder

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