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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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es letztlich, womit man sich die bösartigen Krebszellen einfängt. Es ist also durchaus nicht undenkbar, dass eine Frau sich Gebärmutterhalskrebs durch Viren beim Geschlechtsverkehr einfängt. Also Vorsorge und doppelter Schutz bei wechselnden Geschlechtspartnern.«
    Ich hielt inne und nickte, als wenn ich die Herren im Prüfungskomitee aufklären wollte. Meine Herren, immer schön mit Kondom, klar?
    Die einzige Dame im Prüfungskomitee lächelte kaum merklich. Anscheinend gefiel ihr mein selbstbewusster Vortrag.
    »Und wenn die Patientin bereits infiziert ist?«
    »Wenn man über längere Zeit einen Pap III D hat, sollte man einen Kegel aus dem Muttermund herausschneiden oder eine gezielte Knipsbiopsie machen.«
    Die Professoren nickten und waren beeindruckt.
    »Man kann aber auch eine Abschabung des Muttermundes und/oder eine Ausschabung des Gebärmutterhalses vornehmen. Das ist jedenfalls die gängige Methode von Professor Aigner, meinem Lehrherrn.«
    Natürlich ließ ich den Namen meines Chefs ganz beiläufig fallen, und das beeindruckte das Prüfungskomitee
ungemein. Der Vorsitzende hielt mit seinen Fragen überrascht inne.
    »So, Sie arbeiten also bei Professor Aigner?!«
    »Ich komme an diesem Mann einfach nicht vorbei«, antwortete ich zweideutig. »Er hat mein Leben bisher maßgeblich beeinflusst. Er ist sozusagen der wichtigste Mann in meinem Leben.« Ich brach abrupt ab. »In meinem BERUFLICHEN Leben«, verbesserte ich mich und grinste schief.
    Wie recht ich mit diesen Worten haben würde, konnte ich damals noch nicht wissen. Und auch nicht, welche Rolle er in Zukunft für mich spielen würde.
    Eine absolute Hauptrolle.
    Die einzige Dame im Prüfungsgremium lächelte mich an. »Fahren Sie fort! Wie arbeitet der hochgeschätzte Kollege mit Risikopatientinnen über vierzig, die einen auffälligen Pap haben?«
    »Ab vierzig wird der gesamte Gebärmutterkörper ausgeschabt, außerdem der Gebärmutterhals. Das Feingewebe wird getrennt voneinander untersucht, und dann kann man viel genauer feststellen, wie weit die Gebärmutter bereits von Krebs befallen ist. Wo könnten sich bereits Metastasen gebildet haben?« Ich gestikulierte mit den Händen, ohne es zu merken. Konzentriert sprach ich weiter. »Oder ist der Krebs noch gut lokalisierbar? Und wenn ich eine Konisation machen muss, wie weit muss ich gehen? Sie kann nämlich eine Übertherapie, aber auch zu wenig Therapie sein, denn nichts ist schlimmer, als wenn ich in einen Tumor reinschneide. Dann kommt es leichter zu einer Streuung.«

    So. Ich räusperte mich und wartete ab.
    Der Professor, der den Vorsitz hatte, zog seine Krawatte zurecht. »Sie wissen, wovon Sie reden«, meinte er wohlwollend. »Das ist ganz klar eine Aignerin, die hier so selbstbewusst zu uns spricht.«
    Die Dame zwinkerte mir konspirativ zu. Mein Herz begann vor Freude zu hüpfen. Sollte ich sie überzeugt haben?
    Die Prüfer steckten die Köpfe zusammen und berieten sich.
    Mein Herz klopfte, und ich tastete zitternd nach dem Wasserglas, das man mir hingestellt hatte. Hastig trank ich einen Schluck. Dann sagte einer von ihnen:
    »Erzählen Sie uns was über die Vorsorge. Was wissen Sie über Papanicolaou?«
    »Die Vorsorge ist ungemein wichtig. Papanicolaou war ein griechischer Forscher, der den bedeutenden Pap-Abstrich zur Diagnose des Gebärmutterhalskrebses entwickelt hat. Den führen die Frauenärzte heute regelmäßig durch. Es ist eine relativ einfache Abstrich-methode.« Warum zitterte denn jetzt meine Stimme?
    Die Prüfer sahen mich an, als ob sie auf mehr warteten.
    »Der Skandal an der Geschichte ist, dass Privatpatientinnen einen besseren Abstrich bekommen als Kassenpatientinnen«, platzte ich heraus. Kann sein, dass meine Stimme ein bisschen schriller wurde als beabsichtigt. »Das ist eine bodenlose Ungerechtigkeit.« Meine Wangen pulsierten, meine Lippe zitterte.
    »Hört, hört!«, sagte einer der Prüfer. »Die Dame hat
den Mut, das staatliche Krankenkassensystem in einer Staatsprüfung anzuprangern.«
    »Es entspricht ja den Tatsachen!«, ließ ich mir nicht die Butter vom Brot nehmen. Heimlich hielt ich mich an der Tischkante fest.
    Die Kraft hatte ich von Stefan. Dass ich kein Blatt vor den Mund nahm. Warum sollte ich mich hier einschmeicheln und bei den Prüfern lieb Kind machen, wenn ich doch recht hatte?
    Man wird schon keine Jasager und Buckler zu Deutschlands neuen Ärzten machen wollen, dachte ich mir.
    Offensichtlich hatte ich mit dieser Einschätzung

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