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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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recht.
    »Fahren Sie fort, Frau … Kuchenmeister.«
    »Gern. Ein alternatives Verfahren zur konventionellen Pap-Abstrich-Methode für die gynäkologische Vorsorgeuntersuchung ist der ThinPrep. Wir können damit genauer atypische Zellen und Vorläuferstadien von Zervixkarzinomen feststellen. Hierbei wird das zytologische Probematerial nach der Entnahme nicht ausgestrichen, sondern im Labor aufgearbeitet. Mit einem feinen Bürstchen erfolgt der Abstrich, die Scheiden-Flüssigkeit wird dann zentrifugiert, von Blut- und Schleim-Bestandteilen gereinigt, sodass das übrige Material viel präziser untersucht werden kann. Die relevanten Zellen werden dann in einer dünnen Schicht auf einen Objektträger übertragen. Danach erfolgten die mikroskopische Untersuchung und übliche Standardfärbung.«

    Ich hatte mich wieder voll im Griff. Die medizinischen Details sprudelten nur so aus mir heraus.
    »Sehr schön, sehr schön.«
    »So schön ist das aber gar nicht!«, beharrte ich. »Im Gegenteil: Es ist ungerecht. Den Privatversicherten wird noch der HPV-Test bezahlt, und das gibt der Patientin zusätzliche Sicherheit. Denn wenn die Werte in Ordnung sind, entwickelt frau zu neunzig Prozent kein Karzinom in den nächsten ein bis zwei Jahren. Sie kann sich entspannter zurücklehnen. Die gesetzlich Versicherten dagegen können sich nicht in solcher Sicherheit wiegen, und wenn ich Gynäkologin bin, werde ich mich gegen diese Missstände einsetzen!«
    »Das hört sich alles sehr gut an, Frau Kuchenmeister. Nur weiter so.« Die Prüfer nickten sich zu.
    »Was allerdings ein schlimmer Mangel ist: Nur vierzig Prozent der deutschen Frauen nutzen überhaupt die Vorsorge«, beendete ich meinen Vortrag. »Aus Schüchternheit oder weil sie gar nicht um ihre Rechte wissen! Wenn ich meinen Facharzttitel in der Tasche habe, werde ich die Frauen als Erstes über ihre Möglichkeiten informieren und aufklären. Im Gesundheitswesen liegt so viel im Argen! Erst ab fünfzig bekommt eine Frau überhaupt eine Mammographie bezahlt. Vorher geht sie im Regelfall überhaupt gar nicht erst hin, um nicht draufzahlen zu müssen. Das ist unverantwortlich. In Landkreisen gibt es zwar sogenannte Mammobile, aber viele stehen lange unbenutzt auf dem Parkplatz. Das würde mit einer Würstchen- und Bierbude nicht passieren.«

    Die Prüfer schüttelten betroffen ihre Köpfe. Manche versuchten sich das Lachen zu verkneifen.
    »Sie haben mich überzeugt«, sagte die Prüferin, und die anderen nickten beifällig. »Sie sind ziemlich mutig, diese ganzen Missstände in einer Prüfung anzusprechen. Sie hätten hier auch auf taube Ohren stoßen können.«
    »Dieses Risiko musste ich eingehen«, beharrte ich und tat unbeeindruckt, obwohl mir die Beine zitterten. »Wenn ein Mann Brüste hätte, die zu mammographieren wären, dann stünden vor jeder Kneipe Mammobile«, setzte ich noch eins drauf. »Aber die Frauen wissen nicht um ihre medizinischen Rechte. Deshalb müssen wir Frauen in die Politik gehen und laut werden.«
    So. Das hatte Stefan mir natürlich noch mit auf den Weg gegeben. Dafür liebte ich ihn!
    »Waren Sie gern beim Kollegen Aigner?«, fragte nun einer der Prüfer unter der Hand. »Das gehört jetzt nicht mehr zum Prüfungsgespräch, ist sozusagen eine private Frage. Wie haben Sie es bei dem Kollegen nur so lange ausgehalten?«
    Da schau her!, dachte ich. Ich bin also nicht die Einzige, die diesen Menschen irgendwie als schwierig empfindet. Und doch verehrt.
    »Ich war acht volle Jahre bei Professor Aigner«, sagte ich. »Auch wenn wir uns ab und an schwer miteinander taten. Aber alles, was ich weiß, habe ich bei ihm gelernt, und ich bin stolz darauf.«
    »Das können Sie auch. Sie haben uns alle überzeugt«,
sagte nun der Vorsitzende mit freundlichem Lächeln. »Kaum jemand hat so präzise und korrekt über Gebärmutterhalskrebs berichten können.«
    »Das freut mich«, antwortete ich und wusste, dass ich die Prüfung längst bestanden hatte. »Gebärmutterhalskrebs ist mein Thema.«
    »Warum eigentlich?«, fragte die Dame freundlich. »Ist irgendjemand aus Ihrem privaten Umfeld davon betroffen?«
    Ich hörte mich auflachen. »Aber nein! Zum Glück nicht!«
    Damals wusste ich noch nicht, dass ich selbst längst davon befallen war.

17
    »Schau mal, Konstanze, das wird dich interessieren.«
    Stefan saß Zeitung lesend am Frühstückstisch. »Herr Dr. Thaler hat das Zeitliche gesegnet.« Ich konnte nicht einschätzen, was Stefan ausbrütete. Sein Gesicht

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