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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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gestorben, und jetzt übernehme ich die Praxis. Dann hab ich’s nicht so weit und kann morgens mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.«
    »Mit Ihrem freundlichen Einverständnis. Wir können es ja nett formulieren.«
    »Aigner: Never ever .«

    »Hast du etwa Angst vor diesem Mann?«
    »Ja!« Ich merkte, wie ich anfing zu zittern. »Gottvater kündigt man nicht.«
    »Dann machen wir eben einen Aufhebungsvertrag. Das habe ich beim Grafen auch gemacht. Die Druckvorlage habe ich sogar noch.«
    »Stefan, das geht nicht! Ich schulde Professor Aigner Treue und Loyalität! Ich war jetzt acht Jahre bei ihm im Team.«
    »Angsthase, Pfeffernase«, hänselte mich Stefan mit dem bekannten Kindervers, den unsere Mäuse so oft von sich gaben. »Du warst die Beste, die er kriegen konnte. Du hast ihm lange genug gedient, und jetzt hast DU die Chance deines Lebens. Es ist dein Leben, Konstanze - LEBE ENDLICH!«
    »Er wird mich nicht gehen lassen.« Ich war so nervös, dass ich fast einen Schuh verlor, während ich die Treppenstufen hinunterrannte.
    Stefan warf einen amüsierten Blick zurück, als er das Auto aufschloss. »Er lässt dich gehen, verlass dich drauf.«
    Ich stolperte auf ihn zu.
    »Wir haben sowieso schon Personalprobleme in der Frauenklinik!«
    Aber Stefan saß bereits im Auto. »Konstanze. Es gibt keine Probleme, es gibt nur ungelöste Aufgaben.« Er warf die Autotür zu und kurbelte die Scheibe runter. »Also. Kommst du jetzt mit zu der Witwe Thaler oder nicht?«

    Und so statteten wir der Gynäkologen-Witwe, der sympathischen Frau Thaler, am Samstagmorgen einen Kondolenzbesuch ab. Stefan hatte noch Blumen besorgt, genau wie es sich gehört. Trotzdem: War das nicht ein bisschen wie mit der Tür ins Haus fallen?
    Andererseits: Die Aasgeier lauerten schon hinterm Gartenzaun. Rings um das Trauerhaus parkten bereits die Jaguars und Mercedesse der anderen Anwärter auf diese Praxis. Keiner hatte sich vornehm zurückgehalten. Der gute Doktor war noch warm, als die Kollegen seiner Witwe bereits die Türe einrannten.
    »Was würden Sie denn für die Praxis verlangen, verehrte Frau Doktor?«, hatte Stefan die Dame bereits in Verhandlungen verstrickt.
    Ich sah mich in den Praxisräumen um. Schön waren sie nicht. Aber Stefan würde dafür sorgen, dass ich hier meinen Traum verwirklichen konnte. Gedankenverloren fuhr ich über den bröckeligen Putz. Vor meinem inneren Auge sah ich wieder den Stefan, der mir damals in London mein hässliches Zimmer renoviert hatte. Doch anders als damals verfügten wir inzwischen über die finanziellen Mittel, die Arbeiten machen zu lassen. So wie ich Stefan kannte, würde er die beste Firma der Stadt beauftragen. Ich rüttelte an den alten Rollläden. Hier an den Fenstern könnten zartrosa Stores hängen, und die Wände würden bunte Drucke zieren. Den Untersuchungsstuhl würde ich so stellen, dass die Patientin aus dem Erkerfenster hinaus auf den Park schauen könnte. Im Frühling würde ich die großen Flügeltüren öffnen. Dann würden Vogelgezwitscher
und der Duft der blühenden Kastanien Einzug in die hellen freundlichen Räume halten. Ich bekam ganz weiche Knie und musste mich setzen.
    Denn noch gehörte das alles ins Reich der Fantasie. Selbst wenn wir die Praxis wirklich bekamen, was sowieso schon wenig wahrscheinlich war, stellte sich immer noch die Frage nach der Kassenzulassung. So einfach wie Stefan konnte ich mich nicht selbstständig machen. Er hatte sich zu Beginn seiner Selbstständigkeit einfach einen Schreibtisch mit Telefon, Fax und Computer hinter die Schlafzimmertüre hingestellt und eine flotte Homepage entworfen - und schwups! war er Politikberater.
    Das hier war eine ganz andere Baustelle. Denn im Vergleich dazu hatte mein Schatz ja im Grunde null Komma null Verantwortung. Politiker sind keine Patientinnen. Auch wenn Stefan immer behauptet, unser Land liege auf der Intensivstation, nur dass das kein Politiker merke.
    Andererseits: nach zehn Jahren Büffeln und Ackern … Ich dachte um und malte mir meine Zukunft in den schönsten Farben aus: mit Stefan, unseren Kindern … und meiner eigenen Praxis.
    Ja, ich wollte eine eigene Praxis. Stefan wusste wieder mal vor mir, was gut für mich war. Es passte! So wie damals mit Stefan! Das Blut rauschte mir in den Ohren. Am liebsten hätte ich einen Freudentanz aufgeführt, so sehr begeisterte mich die Vorstellung plötzlich! Schnell wischte ich meine Bedenken bezüglich Professor Aigner beiseite. Mein Blick schweifte durch
die

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