Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Absperrbänder waren jetzt verschwunden. Es gab keine Spur mehr von dem, was hier passiert war.
Wir fuhren an dem Schild vorbei, das uns im Constance Lake-Reservat willkommen hieß. Der See tauchte zu unserer Rechten auf, dann die Straße zu Maskwas Haus. Vinnies Wagen parkte auf der Straße.
Als wir anhielten, kamen Guy und seine Mutter beide aus ihrem nebenan gelegenen Haus. Es war ein trüber und bitterkalter Tag, und sie gingen mit gebeugten Köpfen, Guys Mutter in einem Hausmantel, die Arme vor die Brust geschlagen, und Guy in seiner Baseballjacke. Sie traten mit uns in Maskwas Wohnzimmer, alle sechs waren wir in dem einen winzigen Zimmer. Maskwa legte Holz im Ofen nach.
»Wie ist es abgelaufen?« fragte Vinnie. Er saß in der rückwärtigen Ecke, am weitesten vom Feuer entfernt. Helen saß auf der Couch und sah durch das Glasfenster im Ofen den Flammen zu.
»Wir haben es überlebt«, sagte ich. »Sie wollen wissen, wo du und Helen sind.«
»Das kann ich mir denken.«
»Wir haben ihnen gesagt, daß wir das nicht wüßten.«
»Danke schön.«
Ich wollte schon fragen, wann das mit den Erklärungen endlich losginge, aber dann fand ich zum ersten Mal im Leben ein gewisses Maß an Geduld. Ich hielt den Mund und setzte mich.
Maskwa machte Kaffee, und der Rest von uns saß schweigend da. Schließlich zog Vinnie ein gefaltetes Stück Papier aus der Tasche und gab es mir. Helen sah mich nicht an. Sie saß regungslos da.
Ich entfaltete das Blatt und las es. Es war ein Nachdruck aus der Detroit News , datiert auf den 21. Januar 1985. Die Schlagzeile lautete: »Jetzt 27 Tote nach Hotelbrand«.
Ich sah zu Helen hinüber. Sie hielt die Hände verkrampft im Schoß.
Das Foto. Es zeigte die ausgebrannte Ruine eines Gebäudes – eines Hotels an der Warren Street, in der Nähe der Wayne State University. Es war ein grobkörniges Schwarz-Weiß-Foto, das im Nachdruck noch körniger wirkte. Es sah aus wie etwas, das hundert Jahre alt war.
Der Bericht selbst begann damit, daß zwei weitere Personen im Krankenhaus gestorben seien; hinzu käme noch eine Person, die in der ersten Zählung ausgelassen worden sei. Die meisten Toten waren Kanadier. Die Klasse einer Junior High School sei aus Sudbury gekommen, um an einem Chorkonzert in einem College teilzunehmen. Neunzehn der Toten waren Schüler.
Wieder sah ich zu Helen hinüber. Sie starrte immer noch ins Feuer. Da fiel mir etwas ein, etwas, das sie am Jagdhaus zu mir gesagt hatte.
Keine Kinder. Keiner von ihnen hatte Kinder. Helen, Hank, Ron und Millie – das war es, was sie verband. Die eigentümlich düstere Stimmung, die über dem Jagdhaus gehangen hatte, als wir dorthin kamen – jetzt wurde mir klar, daß das nicht daher kam, daß sie ihr Geschäft aufgaben. Es gab einen viel gewaltigeren Grund.
Ich kehrte zu dem Artikel zurück. Das Feuer war im Nachbarhaus ausgebrochen, einer Chemischen Reinigung. Es hatte von dort auf das Hotel übergegriffen. Es gab da eine Frage zum Sprinklersystem in dem alten Hotel und zu den Notausgängen. Die Untersuchungen liefen noch.
Ich sah mir noch einmal das Datum des Artikels an. Ich versetzte mich zurück in den Januar 1985. Das war direkt in der Mitte meines verlorenen Jahres, des Jahres, in dem mein Partner und ich in dem Mietshaus an der Woodward niedergeschossen worden waren, des Jahres, in dem meine Ehe endete und ich bei der Polizei ausschied. Ich erinnerte mich an das Feuer, aber nur vage. Es war für mich nur irgendwas von der Titelseite der Zeitung.
Der letzte Absatz bestand aus einer langen Liste, und hinter jedem Namen standen Alter und Heimatstadt. Ich überflog die Namen. Ich fand Stephanie Gannon, 13, Sudbury. Ich fand Melissa St. Jean, 13, Sudbury. Ich fand Brett Trembley, 13, Sudbury, und Barry Trembley, 13, Sudbury.
Als ich dieses Mal Helen ansah, räusperte sie sich und sprach. »Jetzt wissen Sie es«, sagte sie. Sie sah mich nicht an.
Maskwa reichte mir eine Tasse heißen Kaffee. Er setzte sich neben Guys Mutter. Guy saß neben Vinnie auf dem Fußboden. Alle betrachteten sie die Flammen im Holzofen.
»Ich bin nicht dort gewesen«, sagte sie. »Hank war nicht da. Ron und Millie waren nicht da. Die Kinder hatten alleine dahin gewollt. Nur mit ihren Freunden und ein paar Aufsichtspersonen. Sie waren so aufgeregt.«
Sie blickte auf die Kaffeetasse in ihrer Hand. Sie trank nicht daraus.
»Melissa und Stephanie waren engstens befreundet. Sie haben sich ein Zimmer geteilt. Sie planten, zusammen aufs
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