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Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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krampften sich um den Speer, ohne ihn zu berühren. Er sah zu uns auf.
    »Ich habe ihn gefragt, warum«, sagte Vinnie.
    Gannon bewegte die Lippen. Er konnte nicht sprechen. Er blutete und blutete und sah uns an. Hinter ihm auf der Erde lag ein .306er Gewehr. Ich griff über ihn hinweg und hob es auf. In seiner Gesäßtasche gewahrte ich einen Schlüsselring für Segler, so einen mit Schwimmring daran. Ich nahm das Bund an mich und steckte es in die Tasche.
    »Er will es mir nicht sagen. Er will mir nicht sagen, warum er meinen Bruder getötet hat. Er will mir nicht sagen, warum er …« Vinnie beugte sich über ihn. »Ihn verbrannt hat.«
    Er war im Begriff, irgend etwas zu tun – Gannon an der Gurgel zu packen, ihn zu treten, den Speer herauszuziehen und ihn erneut zu durchbohren. Ich wollte es nicht sehen.
    »Vinnie«, sagte ich und packte ihn am Arm. »Wir müssen hier weg. Falls hier noch andere sind, haben sie die Schüsse gehört. Du weißt, daß sie jeden Moment hier sein können.«
    Er dachte nicht daran, sich zu bewegen. Er sah zu, wie Gannon verblutete.
    »Los, ich muß zu dem Flugzeug rüber.« Da lassen wollte ich ihn nicht. Falls noch jemand um die Wege wäre, wollte ich nicht, daß er ein leichtes Ziel abgäbe.
    Ich zog ihn fort. Als ich zu Gannon zurücksah, blutete er noch immer, schüttelte es ihn immer noch. Er war noch nicht tot. Ich wußte, das würde bald der Fall sein, aber Gott helfe mir, als ich von ihm wegging, war er noch höchst lebendig.
    Das Letzte, was ich wollte, war wieder ins Wasser zu steigen, aber das Schlauchboot war lange dahin, und wir mußten das Flugzeug erreichen. »Zieh die Jacke aus«, sagte ich. »Halt sie dir über den Kopf.«
    Er zog die Jacke aus. Er hatte denselben leeren Gesichtsausdruck, so, wie er ausgesehen hatte, als ich ihn beim Kampf mit den Bären gefunden hatte. »Bis hierhin haben wir es geschafft, Vinnie. Du mußt dich schon noch ein bißchen zusammenreißen.«
    »Ich bin total zusammen, da gibt’s nicht zu reißen, verdammt noch mal. Los, gehen wir.«
    Ich nahm meine Jacke und wickelte sie um das Gewehr. Als ich ins Wasser watete, fühlte es sich nicht einmal kalt an. Alles Fühlen lag längst hinter mir. Aber mir kamen plötzlich Bedenken, Vinnie mit nach da draußen zu nehmen. Ich war schon im Begriff, ihn zum Ufer zurückzuschicken, aber da war er schon bis zur Brust im Wasser. Er biß die Zähne zusammen.
    Wieder mußte ich mir meinen Weg durch den Schlamm bahnen und hatte Mühe, meine Jacke und Gannons Gewehr trocken zu halten. Als wir beide tief genug waren, schwammen wir zur Seite gelegt und kamen langsam voran.
    »Vinnie, ist alles in Ordnung?«
    Er antwortete nicht, schwamm aber immer noch. So richtete ich meine Augen auf das Flugzeug und zwang mich zu funktionieren.
    Beinschlag, Gottverdammich, Beinschlag.
    Noch fünfzig Meter, zwanzig. Endlich waren wir da. Das Flugboot hatte sich nun vollständig gedreht, so daß die Gannon-Puppe auf der anderen Seite saß. Ich griff nach dem Schwimmer und zog mich zur Leiter hoch. Die Seitentür stand einen Spalt offen. Ich zog sie vollends auf und warf Jacke und Gewehr nach drinnen. Vinnie war wenige Meter hinter mir. Ich wartete auf dem Schwimmer und klapperte in dem kalten Wind mit den Zähnen wie die gottverdammte Hölle, bis er dicht genug heran war, daß ich ihn an der Hand packen konnte.
    Als wir beide im Flugzeug waren, hüllten wir uns in unsere Jacken. Ich setzte mich auf den Pilotensitz, nahm das Schlüsselbund aus der Tasche und begann damit, alle Schlüssel am Zündschloß auszuprobieren.
    Vinnie griff in eine Papiertüte und zog zwei Energieriegel heraus. Er packte sie aus und gab mir einen. Einen Moment saß ich da und machte mir die Tatsache nicht ganz klar, daß ich etwas zu essen in der Hand hielt. Schließlich biß ich hinein, und es war wie Pappe mit Schokoladengeschmack. Aber in diesem Moment war es die leckerste Pappe, die ich jemals gegessen hatte.
    Als ich ihn zur Hälfte geschafft hatte, machte ich mich wieder daran, mit zitternden Händen sämtliche Schlüssel auszuprobieren. Endlich fand ich den richtigen und schaltete mit ihm die gesamte Elektrik an Bord ein. Lämpchen begannen zu glühen, und als ich das Funkgerät einschaltete und das Headset aufsetzte, hörte ich den wunderbaren Klang von Statik live. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, so begann ich zu brüllen »Mayday! Mayday!«
    Vinnie sah aus seinem Fenster hinaus. Dann drückte er die Tür an der Passagierseite auf.

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