Himmelsbett - Neue schwedische Liebesgeschichten
schlaff und behaglich. Sten begann aus irgendeinem Grund, mich
Lo zu nennen, ich fand es recht süß und dachte nicht daran zu
widersprechen.
Er stand auf, um zur Toilette zu gehen, wenn es überhaupt
eine gab, und eigentlich bemerkte ich erst jetzt, wie lang und
schlank er war. Es ist doch zu schön mit schmalen Hüften und
schlanken Beinen. Etwas zum Reingreifen, dachte ich, ja, zum
Reingreifen, zum erstenmal seit einem halben Jahr, einer ganzen
Ewigkeit.
Ich folgte ihm mit den Blicken, wie er sich seinen Weg zwi
schen den Tischen hindurch bahnte. Er bewegte sich leicht und
geschmeidig. In der Hand hielt er eine zusammengefaltete Zei
tung. Östgöten? Nein, das war nicht gut möglich.
Wir müssen eine Pferdedroschke nehmen, dachte ich, das ist
jedenfalls unerhört romantisch. Ich schloß die Augen und stellte
mir augenblicklich vor, in einem schaukelnden Wagen zu sitzen,
der nach Leder und altem Schimmel roch. Vor mir, neben der
dunklen Masse des Kutschers, sah ich das Pferd mit seinen
schweißbedeckten Schinken und dem Lederriemen, der sich um
die große Wurzel des Schwanzes schloß. Außerhalb des kleinen
Fensters waren unbewegliche Palmenkronen und dunkles Meer
mit einem leuchtenden Rand von Brandungswellen zu sehen,
weit draußen, hoch oben. Ich hob mein Glas, nein, ich setzte die
Champagnerflasche direkt an den Mund und trank. Es lief mir in
kalten Schauern über das Kinn, aber das machte mir nichts aus,
ich lehnte mich gegen eine weiche, aber feste Schulter und lächel
te. Ich hielt die leere Flasche hoch, dann beugte ich mich nach
vorn über den Kutschbock, der nach Tang roch.
Sten tauchte wieder auf, und wir bestellten sofort mehr Kaffee
und Cognac. Wir warteten. Er schaukelte auf dem Stuhl und stieß
gegen den Tisch hinter uns, an dem ein junges Paar saß und
Ansichtskarten schrieb. Dann legte er die Hände wie einen Feld
stecher um die Augen und betrachtete mich prüfend.
»Was siehst du?« fragte ich und steckte das Haar im Nacken
hoch.
»Ich sehe Lo. Eine Frau.«
Ich beugte mich vor und versuchte, durch die Jackenöffnung
hineinzuspähen.
»Hast du einen Gürtel oder Hosenträger?«
»Nichts. Ich bin nackt.«
Er lachte.
Ich wollte mehr fragen, alles mögliche. Nimmst du Rasierwas
ser? Parfüm? Ich wollte über seine Kleidung sprechen, seine
Kleiderbügel, Schuhe und sein Schuhputzzeug. Ich wollte alles
wissen, alles berühren, was mit ihm zusammenhing. Es strei
cheln, es riechen. Neugierig, zitternd, als sei ich fünfzehn und
nicht fünfunddreißig.
»Bald fange ich an zu singen«, sagte Sten, der ›Jäger‹. »Was gibt
es für Lieder?«
Er war aufgestanden.
»Wir müssen was unternehmen. Ein Nachtklub!«
»Von mir aus gern.«
»Nein, ein sündiges Lokal mit schlechten Mädchen. Komm.
Nimm meine Hand.«
Das war nötig, wir wurden hin- und hergeschubst. Dann be
kamen wir ein Taxi, es blieb genau vor mir stehen, der Schein
werfer leuchtete meinen Bauch an. Ich zog ihn ein und atmete
tief.
Wohin fuhren wir? Hierher und dorthin, durch Menschenhau
fen, durch die Dunkelheit. Ich zog mich in eine Ecke zurück und
versuchte, meine Haare in Ordnung zu bringen, holte den Lip
penstift hervor, aber es war zu dunkel, und ich blieb sitzen und
lutschte daran. An einer Straßenecke sah ich zwei Polizisten mit
ihren lustigen, harten Hüten.
»Die möchte ich mal beklopfen«, sagte ich.
»Sieh dich vor.«
Wir waren da. Ein heller, blitzender Eingang mit Bildern
halbnackter Mädchen, die auf ihre Brüste zeigten. Einige Männer
standen rauchend herum, Musik drang durch die rote Flügeltür
ins Freie.
»Sten.«
Wir kamen direkt in ein großes, schwer zu überschauendes
Lokal, irgendwo war ein Orchester. Hinter einer gewaltigen,
hufeisenförmigen Bartheke stand eine etwas ältliche Frau und
hob ihre weißen Hände über einem Wirrwarr von Flaschen und
Gläsern. Das Lokal war voller Menschen: kräftig angemalte
Frauen mit bloßen, weißen Schultern und kühn ausgeschnittenen
Kleidern, und Männer natürlich, alle in Jacketts. Wir schraubten
und schoben uns zur Theke hin, und es gelang uns, ein paar
Gläser zu bestellen. Cognac, wie ich mich erinnere, oder Whisky.
Auf jeden Fall war es keine Limonade.
»Willkommen in meiner kleinen Bude«, sagte Sten und hob
sein Glas. »Plumps, wir sind da.«
Ich stand, wo ich stand, meine Hüften hart gegen seine ge
preßt, der Ellenbogen eines fremden Kerls drückte sich mir in
den Leib.
»Du«, meinte ich. »Sag mir etwas Nettes. Etwas
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