Himmelsgöttin
Flughund aus dem Haus blieb. Tuck gab ihr alles, was sie wollte, und verlangte von ihr lediglich, daß sie ihn liebte, respektierte und »das Glücksrad« leise drehte, wenn er seine Buchhaltung erledigte.
Er vermietete sein Flugzeug an die Angler und Taucher, die von Insel zu Insel ziehen wollten, und machte auf diese Weise genügend Geld, damit sie beide anständig essen konnten und Sepie Parfüm, Lippenstifte und Wonder Bras in Hülle und Fülle hatte, wobei es sich bei letzterem um eine neue Obsession ihrerseits handelte und nicht selten auch um das einzige Kleidungsstück, das sie trug.
Eines Morgens kurz vor Sonnenaufgang, als sie gerade ein Jahr auf Little Cay lebten, erblickte Tuck eine Gestalt, die allein am Strand stand. Er wußte, wer es war, noch bevor er nahe genug heran war, um ihn zu erkennen. Er fühlte es einfach.
Als er näher kam, betrachtete er die kantigen dunklen Züge und die Fliegeruniform mit den gestärkten Bügelfalten, und er sagte: »Du siehst ziemlich gut aus für 'n toten Kerl.«
Vincent nahm eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche, schnippte eine heraus und zündete sie an. »Gute Arbeit, Kleiner. Ich denke, wir sind quitt.«
»War das mindeste, was ich tun konnte«, sagte Tuck. »Aber kann ich dich mal was fragen?«
»Schieß los«, sagte Vincent.
»Warum hast du's getan?«
»Ich hab überhaupt nichts getan. Ich hab nichts bewegt. Ich hab nichts berührt. Alles, was getan wird, tun die Gläubigen.«
»Komm schon«, sagte Tuck. »Eine vernünftige Antwort hab ich schon verdient.«
Der Flieger wandte sich für einen Moment ab und betrachtete die Korona über dem Wasser, wo jeden Augenblick die Sonne auftauchen würde. »Du hast recht, Kleiner. Du verdienst es. Erinnerst du dich an den Vortrag von der Dame – von wegen, daß Verlierer auf Inseln so gut über die Runden kommen, weil es keine Konkurrenz gibt?«
»Ja.«
»Nun ja, das ist nicht der Fall. Inseln sind wie Brutkästen, weißt du. Man muß die Dinge in Gang bringen und wachsen lassen. Sie isolieren. Deswegen suchen sich die Witzfiguren bei euch im Fernsehen ihre Gemeinden auch hinterm Wald, wo niemand ihnen verklickern kann, auf was für 'n Blödsinn sie sich da einlassen. Nick einfach, wenn du irgendwas kapierst, Kleiner. Fein.
Also, ich hatte diese Wette zu laufen mit den Jungs, mit denen ich Karten spiele. Es ging darum, daß mein kleiner Kult wirklich groß rauskommt, wenn ich nur genügend Leute habe. Ich hab ihnen gesagt: ›Vor zweitausend Jahren war das, was ihr am Laufen hattet, auch nichts weiter als ein kleiner Kult. Laßt mich erst mal aufs Festland kommen, und gebt mir tausend Jahre, und ihr kriegt was für euer Geld.‹ Die Voraussetzungen haben alle gestimmt. Man braucht Druck – ich hatte den Krieg. Man braucht ein Versprechen – ich hatte das Versprechen, daß ich zurückkommen würde mit Kargo. Läuft alles prima für mich. Dann tauchen diese bescheuerte Dame und der Doc auf und reiten auf meiner Masche, und ich denke, hier ist meine Chance, groß rauszukommen. Man braucht ein paar Fieslinge, damit die Gemeinde erkennen kann, wer die Guten sind, stimmt's? Also sag ich mir: ›Vincent, es ist Zeit, daß du dir einen Moses zulegst. Treib einen Kerl auf, der deine Leute aus dem Schlamassel rettet, und versorg sie mit Geschichten, die dir einen Ruf einbringen.‹«
»Und das war ich?«
»Das warst du.«
»Warum gerade ich? Warum hast du mich ausgesucht?«
»Du hattest nichts zu tun.«
»Und das war alles? Ich hatte nichts zu tun?«
»Sieh den Tatsachen ins Auge, Kleiner. Du bist im Blindflug durch den Nebel gerauscht. Kennst du das Sprichwort ›Der Teufel gibt müßigen Händen Arbeit‹ ?«
»Ja.«
»Es stimmt, aber nur wenn er zuerst ankommt. Aber weil noch nicht mal er dich wollte, bin halt ich aufgetaucht.«
»Und jetzt wirst du mir den Rest meines Lebens Ärger machen?«
»Na ja, so schlimm hast du's auch wieder nicht erwischt. Es ist ja nicht so, daß du vierzig Jahre lang in die Wüste müßtest. Worüber machst du dir überhaupt Sorgen?«
»Stimmt, ich bin jetzt wirklich glücklich. Aber war's das jetzt mit uns?«
Vincent drückte seine Zigarette im Sand aus. »Das hängt davon ab, woran du glaubst, Kleiner? Hab ich recht?« Er verblaßte mit jedem Schritt, den er am Strand entlangging. »Tu nichts, das ich nicht auch tun würde.«
Tuck schaute mit an, wie sich ein Segelkanu am Strand materialisierte. Kimi stand am Ruder und winkte, als Vincent in den Bug des Kanus
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