Himmelsgöttin
Mikroskop. »Was ist das?«
Er betrachtete die zarte Linie ihrer Muskeln an der Rückseite ihrer Schenkel und stellte Überlegungen darüber an, welche genetischen Anlagen wohl dafür verantwortlich waren, daß ein solcher Körper nur unter Zufuhr von Wodka und Chee-tos seine Form behielt. In letzter Zeit dachte er häufig über Fragen der Genetik nach. »Ich typisiere die letzten Gewebeproben. In ein bis zwei Tagen sollte ich damit fertig sein.«
Sie fragte: »Hat dir ›String of Pearls‹ besser gefallen als ›In the Mood‹?«
Die Hohepriesterin der Unlogik, dachte Sebastian. »Es war perfekt. Du warst perfekt.«
Sie wandte sich von dem Mikroskop ab und rannte um den Tisch herum, die Stirn in Falten gezogen, als würde sie im Kopf eine Gleichung lösen. »Ich hab überlegt, ob wir nicht vielleicht ›Pennsylvania 6-5000‹ bringen sollten. Wir stecken die Ninjas in Zylinder und Fräcke und lassen sie als Chor auftreten. Weißt du, sie könnten mich über die Rollbahn tragen, stehenbleiben und den Chorus rufen. Auf der Aufnahme ist kein Gesang, sie würden nur rufen müssen. Ich meine, wenn wir sie schon hier haben müssen, können sie ja auch was tun.« Sie hörte auf herumzurennen und drehte sich zu ihm um.
Sebastian brauchte einen Moment, bis er merkte, daß es ihr ernst war. »Ich bin nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist. Die Haifischmenschen sind mißtrauisch wegen der Nin … – wegen der Wachen. Ich wollte, Akiro hätte auf mich gehört und welche aufgetrieben, die keine Japaner sind. Die ganze Angelegenheit mit Malinks Traum ist ein Zeichen, daß unsere Glaubwürdigkeit dahinschwindet.«
»Das sage ich doch. Wenn wir ihnen zeigen, daß die Himmelsgöttin sie unter Kontrolle hat –«
»Ich halte das nicht für eine gute Idee, Beth.«
Sie wischte den Gedanken mit einer Handbewegung beiseite. »Auch gut. Ich denke, wir reden später noch mal darüber.«
Sebastian wollte sich eigentlich zusammenreißen, bevor er ihre überschwengliche Stimmung zunichte machte, doch er konnte es einfach nicht lassen. »Glaubst du nicht, daß ein ganzer Monat ohne Kaffee und Zucker ein bißchen hart ist?«
»Du kapierst es wirklich nicht, oder? In einer Woche mache ich's wieder rückgängig, Bastian, und sie werden mich dafür lieben. Die Großzügigkeit der Götter: Die Himmelsgöttin hat's genommen, und die Himmelsgöttin hat's gegeben. So funktioniert das. Du steckst ein paar Leute in ein Boot, dann ersäufst du jedes Lebewesen auf dem Planeten – und die Leute auf dem Boot sind gottverdammt dankbar.« Sie warf sich das Ende ihres roten Schals über die Schultern.
»Ich wünschte, du würdest nicht so reden.«
»Du machst die Regeln, und du spielst das Spiel, Bastian. Was ist daran verkehrt?«
Er wandte sich von ihr ab und tat so, als würde er einige Notizen überfliegen. »Ich denke, du hast recht«, sagte er, doch er fühlte, wie der Säurepegel in seinem Magen stieg. Sie nannte es ein Spiel.
Sie trat von hinten an ihn heran, preßte ihre Brüste an seinen Rücken und griff ihm von vorne unter seinen Laborkittel. »Armes Baby. Glaubst du immer noch, daß es richtig war, als du damals deine Beatles-Schallplatten verbrannt hast?«
»Beth, bitte.«
Sie zog den Reißverschluß seiner Khakihose auf und ließ ihre Hand in den Hosenschlitz gleiten. »Tief in deinem Inneren glaubst du, daß John Lennon gekriegt hat, was er verdient, stimmt's, Liebling? Einfach zu sagen, daß er populärer ist als Jesus. Dieser Schwachsinnsbruder namens Chapman war das Werkzeug Gottes, stimmt's?«
Er wirbelte herum und packte sie an den Schultern. »Ja, verdammt noch mal.« Sein Gesicht glühte, er spürte das Pochen der Adern auf seiner Stirn und in seinem Schritt. »Es ist genug, Beth.«
»Nein, ist es nicht.« Sie riß ihm die Hose auf, ließ sich rückwärts auf den Labortisch fallen und zog ihn auf sich drauf. »Komm schon, zeig mir den Zorn des Medizinmanns.«
27
Mädchengeplauder
Sepie wusch dem Piloten die Haare mit zerstoßener Kokosnuß und brackigem Wasser. Seit zwei Tagen kümmerte sie sich schon um den bewußtlosen weißen Mann, und allmählich nervte es sie ganz gehörig. Sie war Liebesdienerin im Jungmännerhaus, und das Waschen und Pflegen eines kranken, stinkenden weißen Mannes stand nicht in ihrer Arbeitsplatzbeschreibung. Das war Frauenarbeit.
Es gibt Legenden auf diesen Inseln, und einige der alten Männer schwören, daß sie wahr sind, wonach die Frauen, die im Jungmännerhaus Dienst tun,
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