Himmelsgöttin
erklärte Malink.
Sarapul schnaubte verächtlich, und die Männer blickten wütend auf, wobei die jüngeren unter ihnen den Blick schnell wieder abwandten, als sie sahen, wer für das Geräusch verantwortlich war. Abo war mittlerweile fertig mit Drehen und hielt Malink die Zigarette hin. Der Häuptling deutete auf Sarapul, und Abo reichte dem alten Kannibalen die Kippe. Dabei streiften sich ihre Hände, und Sarapul blickte dem jungen Mann fest in die Augen, während er sich den Finger leckte, als schmecke er eine süße Soße. Abo wurde von einem Schauder gepackt und zog sich zurück an den äußeren Rand der Runde.
Malink gab Sarapul Feuer mit dem heiligen Zippo und widmete sich dann wieder seiner Illustrierten. »Erst mal ist Schluß mit People. Jedenfalls bestimmt so lange, wie die Himmelsgöttin sauer auf uns ist.«
Es erhob sich ein allgemeines Wehklagen, und die Trinkschale wurde erneut gefüllt und herumgereicht.
»Wir sind abgeschnitten von der Welt«, fügte Malink hinzu.
Sarapul zuckte mit den Achseln. »Die ganzen Leute in diesem Buch, sie alle scheißen. Es spielt keine Rolle. Sie sterben. Es spielt keine Rolle. Wenn wir sie alle in ein großes Boot packen und versenken würden, würdest du's erst sechs Monate später mitkriegen, wenn die Himmelsgöttin dir ihre alte Ausgabe gibt, und selbst dann würde es keine Rolle spielen. Das ist doch Blödsinn!«
»Aber sieh doch mal her!« Malink deutete auf das Bild eines Mannes mit unnatürlich großen Ohren: »Dieser Mann hier ist ein König, und er wäre gern ein Tampon. Das hat er wortwörtlich gesagt, hier steht's.«
Sarapul verzog das Gesicht, so daß seine Falten sich übereinander fächerten wie bei einer Jalousie, während er sich überlegte, was genau ein Tampon war. Schließlich sagte er: »Ich war schon mal ein Tampon, damals in den alten Zeiten, bevor du überhaupt geboren warst. Alle Krieger wurden Tampons. Damals war es noch besser.«
»Du bist nie ein Tampon gewesen«, stellte Malink fest, obwohl er nicht ganz sicher war. »Nur ein König kann ein Tampon sein. Und nun, ohne People, werden wir nie erfahren, ob es diesem Mann, der so gerne ein Tampon wäre, wirklich gelungen ist. Dies war ein finsterer Tag.«
Der Becher wanderte wieder zu Sarapul, und dieser trank ihn aus, bevor er sagte: »Erzähl mir von deinem Traum.«
»Ich sollte nicht davon reden.« Malink tat so, als sei er in das Magazin vertieft.
Sarapul ließ nicht locker. »Die Himmelsgöttin hat gesagt, daß Vincent dir etwas von einem Piloten erzählt hat. Stimmt das?«
Malink nickte. »Es stimmt. Aber es war nur ein Traum, denn sonst hätte der Medizinmann es ja auch gewußt.«
Sarapul saß in der Klemme. Einerseits hatte er endlich die Chance, den Medizinmann und die weiße Schlampe in Mißkredit zu bringen, andererseits würde er, wenn er Malink von dem Mann in seinem Baum erzählte, die Gelegenheit verspielen, in den lange entbehrten Genuß von Langschwein zu kommen. Allerdings: Er hatte ihn schließlich gefunden, und er war durchaus bereit, das Fleisch mit den anderen zu teilen. »Was wäre, wenn dein Traum doch wahr gewesen ist?«
»Es war nur ein Traum. Vincent spricht nun nur noch durch die Himmelsgöttin zu uns. Sie hat gesprochen.«
»Vincent hat geraucht, und sie sagt, Rauchen ist schlecht. Vincent war ein Feind der Japaner, und sie hat japanische Wachen hinter dem Zaun. Sie lügt.«
Einige der Männer setzten sich aus der Runde ab. Mit einem Kannibalen zu trinken war eine Sache, aber es war etwas ganz anderes, einen Ketzer zu dulden. (Von den zwanzig Männern in der Runde hörten drei der älteren auf den Namen John, vier, die unter dem Regiment von Vater Rodriguez geboren worden waren, hießen Jesus, und drei der jüngeren Männer trugen den Namen Vincent.) Sie waren eine Gruppe, die die Götter ehrte, egal welche Götter in dieser Woche gerade auf dem Programm standen.
»Die Himmelsgöttin lügt nicht«, sagte Malink ruhig. »Sie spricht für Vincent.«
Sarapul drückte die Glut der Zigarette mit seinen ascheverklebten Fingern aus, steckte die Kippe in den Mund und begann grinsend darauf herumzukauen. »Dein Traum war die Wahrheit, Malink. Ich habe den Piloten gesehen. Er ist auf Alualu, und er ist am Leben.«
»Und du bist alt und trinkst zuviel.«
»Ich zeig's euch.« Sarapul sprang auf die Beine, um zu beweisen, daß er nicht betrunken war, und jagte damit den Jüngeren in der Runde einen Heidenschreck ein. »Kommt mit mir«, sagte er.
26
Swing
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