Himmelsjäger: Roman (German Edition)
genug gefolgt war. Das Leben ist ein Wagnis. Er fühlte sich von unguten Vorahnungen heimgesucht, und gleichzeitig zitterte Aufregung in ihm und ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Das Leben ist beharrlich.
Redwing traf seine Entscheidung. »In Ordnung, packen wir’s an.«
Beth hatte die Alfvén-Zahlen des Flugplans angepasst und fand es sehr befriedigend zu erleben, wie das Schiff auf die Navigationskontrollen reagierte, auch wenn die Reaktionen ein wenig schwammig waren. Der Schwenk erforderte elf Tage. Es gab einige dunkle Tage, als unklar blieb, ob die SunSeeker korrekt auf das Manöver reagierte. Die Magnetfelder der Kollektoren fluktuierten unter der Belastung, erfüllten aber weiterhin ihren Zweck. Abduss sah Beth die ganze Zeit über genau auf die Finger, und gelegentlich kam es zu höflichen Streitgesprächen, aber schließlich gelang es ihr, das Schiff auf den neuen Kurs zu bringen.
Cliff und Beth verbrachten viel Zeit in ihrer gemeinsamen Kabine. Die warme Behaglichkeit des Betts half.
Die Erholungsphase nach der Wiederbelebung erlaubte ihr den einen oder anderen »Luxus«, und dazu gehörten auch Ingwerkekse. Sie hatte sie extra für diese Gelegenheit gewählt, weil sie knusprig und süß waren, zusammen mit den Schokoplätzchen, die auch Cliff mochte. Zu beiden trank sie eine Tasse Kakao, genau die warme braune Mama, die sie brauchte. Cliffs persönlicher Wiedererweckungs vorrat ent hielt nur Kona-Kaffee von Hawaii und keine Kekse.
»An was erinnerst du dich unmittelbar vor dem Kälteschlaf?«, fragte sie, während sie sich gegenseitig Krümel von den Fingern leckten.
Cliff lächelte verträumt. »Jemand sagte, ich würde gleich einen kleinen Stich in der linken Hand fühlen, und ich hielt das aus irgendeinem Grund für komisch. Und dann … nichts mehr, bis zum Erwachen.«
Beth nickte. »So war es auch bei mir. Es scheint kaum mehr gewesen zu sein als ein Blinzeln, und doch sind Jahrhunderte vergangen.« Sie zögerte nachdenklich. »Als ich das runde Objekt dort draußen aus diesem Blickwinkel zum ersten Mal sah … Ich dachte, dass es einem Wok ähnelte, mit einem Loch im Boden.«
»Du denkst schon wieder an Essen. Es wird Zeit für die nächste Mahlzeit.«
Beths alte Furcht löste sich bei der Arbeit auf, und um sie auf Distanz zu halten, vergnügte sie sich mit Cliff. Er war das Zentralgestirn ihres Sonnensystems, und er war es seit der ersten Woche während der Crew-Auswahl für die SunSeeker. Ihre Eltern hatten ein Jahr zuvor bei einem Autounfall das Leben verloren, und in den Augen des Auswahlkomitees warf das einen Schatten auf ihre Bewerbung. Es wollte Personen, die auf eine lange Zeit der Stabilität zurückblicken konnten und nicht von emotionalen Problemen belastet waren, die sich noch Jahre später als Belastung erweisen mochten.
Die beiden zentralen Figuren ihres Lebens zu verlieren hatte Beth die Lebensfreude genommen und veranlasst, sich von allem zurückzuziehen. Die Affäre mit Cliff hatte sie nicht als Mittel gegen ihren Kummer geplant, doch die besondere Magie der Beziehung entfaltete eine solche Wirkung. Wenn vorher die Sonne für sie untergegangen war, so holte er sie an ihren Himmel zurück, und das neue Licht in ihrem Leben zeigte sich in allen Dingen, mit denen sie sich beschäftigte. Insbesondere bei den psychologischen Prüfungen und bei ihrer sozialen Kompetenz. Später, während der Ausbildung, hatte sie erfahren, dass sie etwa zu der Zeit, als sie Cliff kennengelernt hatte, für die Ausmusterung vorgesehen gewesen war. Wie sie es später ausdrückte: »Doch dann passierte mir Cliff.« Die Veränderungen führten dazu, dass sie ihren Platz an Bord der SunSeeker behielt, und es dauerte nicht lange, bis sie bei der elektromagnetischen Navigation, einer noch sehr neuen Disziplin, außerordentlich gute Leistungen zeigte.
Dass sie sich hier an Bord des Schiffes befand, verdankte sie Cliff. Was sie ihn wissen ließ, wenn sie sich liebten, lange und intensiv. Sex war die Kehrseite des Todes, hatte sie immer gedacht, der Drang, etwas zurückzulassen, von der Evolution tief im Unterbewusstsein verankert. Die verschwitzten Stunden »im Beutel« (Beth mochte den Ausdruck nicht, aber er passte, denn Cliff benutzte eine Hängematte) schienen diese Vorstellung mehr zu bestätigen als alle anderen einschlägigen Erfahrungen in ihrem zugegebenermaßen nicht besonders üppigen Sexleben. Bei den Mahlzeiten fürchtete sie, dass man es ihr ansah, denn ihre Wangen röteten sich, wenn ihr
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