Himmelsjäger: Roman (German Edition)

einfiel, wie anders sie jetzt war: schamlos, glücklich und aus der Dunkelheit heraus, die sie lange Zeit niedergedrückt hatte.
    Eines Abends, nachdem sie die SunSeeker in einem langen Bogen zur Schale geschickt hatte, erlaubte der Captain Alkohol. Sie veranstalteten ein spontanes Brainstorming, wobei Mayra in die Rolle des Schiedsrichters schlüpfte. Ideen flogen hin und her. Was würden sie bei dem riesigen fremden Objekt finden? Was hatte es mit der Schale auf sich? Presskugeln wurden gehoben und nicht nur einmal. Beth brachte alle zum Lachen. Sie sangen, klangen schrecklich dabei und lachten erneut. Der Captain trank mehr als die anderen zusammen, und Beth begann zu verstehen, unter welchem Druck er stand.
    Das geplante Manöver war in jeder Hinsicht bemerkenswert. Die Dichte des Jets ging weit über die der Gaswolken hinaus, durch die die SunSeeker bisher geflogen war, aber die technischen Spezifikationen boten in dieser Hinsicht genug Spielraum und berücksichtigten auch Kollisionen mit Molekülwolken. Man konnte nie wissen, womit man es im interstellaren Raum zu tun bekam, dachte Beth. Vergleiche mit der Schale wären absurd gewesen, aber das Schiff war zumindest robust.
    In Wolken eingebettete Sterne konnten das sie umgebende Gas ionisieren und auf diese Weise eine kugelförmige Hülle schaffen. Mit einer solchen Wolke bekam es die SunSeeker vielleicht zu tun. Die Laser in ihrem Bug konnten Hindernisse bis zur Größe von Häusern identifizieren und mit einem einzelnen Gigawatt-Impuls verdampfen. Die Laser hielten ziemlich viel aus, und das mussten sie auch, denn immerhin waren sie dem Plasmasturm bei der Bugwelle des Schiffes ausgesetzt. Vielleicht mussten sie bald noch mehr aushalten.
    Wickramsinghs Stern bewegte sich entgegen der Rotation der Galaxis, was zwar ungewöhnlich war, aber nicht so selten. Die SunSeeker flog in die gleiche Richtung, denn Glorys Sonnensystem befand sich hinter Sol, in Bezug auf die allgemeine Rotationsrichtung des gewaltigen Feuerrads der Milchstraße. Deshalb hatten sie den sonderbaren Stern nicht bemerkt – die Schale wölbte sich um ihn, sodass man ihn weder von der Erde noch von der SunSeeker aus hatte sehen können. Als sich das Schiff dem System von hinten genähert hatte, war der Stern plötzlich über den Rand der Schale geglitten und sichtbar geworden. Er war wie aus dem Nichts erschienen und sehr nahe.
    »Mhm, wie schnell ist er?«, fragte Beth bei der nächsten Besprechung. Die fünf Sitze vor den Bildschirmen des Kontrollraums reichten gerade für sie aus.
    »Mehr als zehntausend Kilometer pro Sekunde«, sagte Mayra.
    »Das ist ziemlich schnell.«
    Mayra strahlte. »Ja. Ich habe diese Information für den richtigen Moment aufgespart.«
    »Es entspricht fast der Geschwindigkeit unseres Schiffes. Sehr ungewöhnlich für einen Stern.«
    Sie wechselten einen Blick, und Beth fragte sich, warum die Wickramsinghs solchen Gefallen daran fanden, Geheimnisse immer nur stückchenweise zu enthüllen. Eine kulturelle Eigenheit? Hatten sie sie so kurz nach der Wiederbelebung nicht mit zu vielen erstaunlichen Dingen konfrontieren wollen? Zugegeben, sie war noch immer ein wenig benommen, was aber nicht an der Kälte oder den Medikamenten lag. Konzeptionelle Überladung. Wenn sie das Ding auf den Schirmen nicht mit eigenen Augen gesehen hätte …
    Versuch klar zu denken. »Könnten … die Eruptionen, die wir in der Mitte des Sterns sehen, dafür verantwortlich sein?«
    Mayra schüttelte den Kopf. »Wie denn? Bestimmt werden sie von der Kappe abgefangen.«
    Mit zittriger Hand zeichnete Beth eine Skizze. »Die Eruptionen zeigen zur Kappe, und der Stern beschleunigt und entfernt sich von ihr. Und dann gibt es da noch die Öffnung.«
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagte Abduss. »Die Gravitation des Sterns zieht die Kappe an, aber sie bleibt ihm trotzdem fern.«
    Beth dachte an so gewaltige Massen im Flug, an das Gleichgewicht der Kräfte, das nötig war, um eine Kollision zu verhindern. »Was bewegt all dies?«
    »Der Jet schießt durch die Öffnung und treibt die ganze Konfiguration an«, sagte Abduss. Die Wickramsinghs schüttelten noch immer erstaunt den Kopf. Beth verstand, warum sie zuerst Cliff und nicht Redwing geweckt hatten. Cliffs Spezialität bestand darin, mit den eventuellen Seltsamkeiten des Lebens auf Glory zurechtzukommen und flexibel zu sein. Er war Biologe, ja, kein Astrophysiker. Doch die Idee, durch den Jet zu fliegen, stammte von ihm .
    Es folgte lange