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Himmelskinder

Himmelskinder

Titel: Himmelskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Feldhausen
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hoffentlich klären, warum Friedrich Trüstedt getötet und bald darauf der Hof abgefackelt worden war.

30
    Die Fortbildung zum Thema pädosexuelle Straftäter war für Mittwochabend achtzehn Uhr angesetzt worden. Nach Dienstschluss war Bulleken eine Runde durch den Park gelaufen, und anstatt jetzt irgendwo noch etwas trinken zu gehen, lenkte er seine Schritte wieder in Richtung Präsidium.
    Er war jetzt schon das zweite Mal kurz hintereinander für eine Fortbildung ausersehen worden, und er begriff allmählich, dass es sich nicht um eine Auszeichnung handelte, sondern dass die anderen sich auf seine Kosten drückten.
    Kurz nach achtzehn Uhr betrat er den Konferenzraum. Das Thema schien nicht auf großes Interesse gestoßen zu sein.
    Alle Beamten von der Kriminalinspektion eins hatten eine Einladung erhalten, und nur vier Frauen saßen da und unterbrachen ihr Gespräch, als er eintrat.
    »Na, Kollege? Ist das zu fassen? Da wagt sich ein Mann in diese Fortbildung. Du wirst sicher der einzige bleiben, wollen wir wetten?«
    Wenig später erschien die Vortragende, eine Frau um die vierzig, die forsch in den Raum trat. Sie stutzte einen Moment, als sie die kleine Gruppe sah, lächelte etwas mühsam und stellte sich vor. Ihr Name sei Barbara Fricke, sie arbeite in einer Gruppe mit, die Psychotherapie für pädosexuelle Straftäter anbiete, und informierte dann über den Ablauf des Abends. Als keine Fragen oder Vorschläge kamen, bat sie die Anwesenden um eine kurze Vorstellung:
    »Sie sind ja nun nicht so viele. Umso intensiver wird vielleicht der Abend.«
    Frau Fricke holte Unterrichtsmaterial aus ihrer Tasche und verteilte die Unterlagen.
    »In der therapeutischen Arbeit mit pädosexuell orientierten Männern«, begann Frau Fricke ihren Vortrag, »die gegenüber Kindern sexuell übergriffig geworden sind, geht es uns darum, ihre verzerrte Wahrnehmung aufzulösen. Diese Männer nehmen Kinder in ihrem Denken verzerrt wahr, sodass es zu einer Vielzahl von falschen Bewertungen und willkürlichen Schlussfolgerungen kommt, die bei dem Täter zu einer Fülle von Rechtfertigungen der sexuellen Handlungen führt.«
    Da muss man schon ganz schön verzerrt wahrnehmen, dachte Bulleken, wenn man das nicht mitkriegt, was man da anstellt, du lieber Himmel. Er guckte sich die Unterlagen an. Na, Gott sei Dank, er hatte alles auch schwarz auf weiß.
    Und weiter ging es. Die Frauen stellten hin und wieder Fragen, Bulleken hielt sich zurück. Nach einer Stunde endlich die erste Pause.
    »Na, Kollege, interessant, oder?«, fragte ihn eine der Frauen, die ihn durch ihre Brille aufmerksam betrachtete. »Unsere Täter auch mal von dieser Seite zu betrachten … Schade, dass nur so wenige gekommen sind, so wenige Männer vor allem. Finde ich gut, dass Sie hier sind, das baut meine Vorurteile ein wenig ab.«
    »Welche Vorurteile?«
    »Dass Männer immer schon alles wissen und nie in Fortbildungen kommen – es sei denn, sie müssen.«
    Bulleken lächelte angestrengt und ging mit ihr nach draußen in den immer noch wundervollen Maiabend.
    Nach der Pause ging es weiter mit Statistiken und Erfahrungswerten zu einer möglichen Entwicklung der pädosexuellen Ausrichtung. Bullekens Interesse ließ langsam nach, außerdem wurde er müde.
    Womit muss ich mich hier in meiner freien Zeit rumschlagen , grübelte er und verwünschte Alvermann. Ich will das alles gar nicht wissen, ich will die Kerle vom Stettnerpark in den Knast bringen, egal, wie verzerrt die wahrnehmen.
    Seine Gesprächspartnerin von vorhin wollte wissen, wie es sich bei diesen Männern mit der Gewaltbereitschaft verhalte.
    »Diese Männer wollen eine Beziehung und sind keine Vergewaltiger. Das heißt, natürlich gibt es die auch in dieser Gruppe.«
    Nach einer weiteren Pause berichtete Frau Fricke über die Therapie. Bulleken konnte sich nicht vorstellen, dass Männer im Kreis saßen und darüber ins Gespräch kamen, wie sie neulich noch Sex mit einem Kind hatten. Und tatsächlich schien es am Anfang genau darum zu gehen, Voraussetzungen zu schaffen, dass sich die Teilnehmer in der Gruppe emotional sicher fühlten. Nur dann entwickele sich bei ihnen die Bereitschaft, sich dem Therapeuten gegenüber zu öffnen und sich später auch zu beteiligen, wenn das sogenannte Deliktszenario anderer Gruppenmitglieder im Mittelpunkt stehe. Schritt für Schritt übernähmen die Gruppenmitglieder die Rolle der Fragenden, und sie würden die Probleme, Kniffe und Täuschungen ihrer Gruppenkollegen oft

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