Himmelskinder
Stück vorantreiben.«
Masur war beeindruckt. Er beglückwünschte sich, dass er gegen Bergen so ausfällig geworden war.
Als er sich verabschiedete, hielt ihm Bergen zuvorkommend die Tür auf, und Masur marschierte aus dem Zimmer, nachdem er sich den Rest vom Teegebäck in die Taschen gestopft hatte.
Du lieber Himmel, dachte er, da ist in der frühen Kindheit aber heftig was danebengegangen.
Bergen holte sich das Schlüsselbund wieder aus dem Karton. Er war sich so sicher gewesen, auf einen Schlüssel zu einem Schließfach, zu einer Zweitwohnung oder zu weiß Gott was zu stoßen. Nichts, nur die Schlüssel zu Trüstedts Wohnung. Er musste irgendwo doch noch einen Ort gehabt haben, an dem er Papiere, Briefe, Behördendokumente, eben persönlichen Kram aufbewahrte. Er vertiefte sich wieder in die Protokolle der Kollegen aus Aldenburg. Nun, er hatte den Trüstedt-Fall so weit im Griff. Seine Art, systematisch zu arbeiten und sich nicht beirren zu lassen, führte letztlich immer zum Erfolg.
Die Pharmafirmen, für die Trüstedt als Übersetzer tätig gewesen war, hatten mit ihren Herren Rechtsanwälten versucht, ihre Türen geschlossen zu halten. Bei Hofmann indes hatte Trüstedt einen eigenen Arbeitsplatz gehabt. Bergen war es mit Gerichtsbeschluss gelungen, hier einzudringen und den pc des Getöteten zu beschlagnahmen. Es hatte gelohnt, nicht locker zu lassen. Er hatte Schlechtriems beste Leute bekommen, um den Computer zu knacken. Im Ordner »Privat« fanden sie unter »Korrespondenz« Briefe, die sie ein ordentliches Stück weitergebracht hatten.
Trüstedt, offensichtlich der Besitzer eines Gutshofs in Norddeutschland, hatte an den Pächter geschrieben und sein Kommen angesagt. Er überlege, den Hof wieder zu übernehmen und wolle über einen möglichen Termin sprechen. Er hatte keine Antwort bekommen und in einem weiteren Brief nur noch seine Ankunft mitgeteilt. Danach war es ein Leichtes gewesen, die Stationen der Reise an die Elbe nachzuvollziehen, die er kurz vor seinem Tod unternommen hatte. Die Kollegen aus dem Norden hatten ganze Arbeit geleistet und Bergen die Vernehmungsprotokolle zugeschickt. Trüstedt war von der alten Anna Seefeld erkannt worden, die früher auf dem Gutshof gearbeitet hatte. Sie hatte ihn gar nicht gehen lassen wollen und ihn in ihr Haus gelotst. Erst als er ihren Kaffee getrunken und ein Stück Kuchen gegessen hatte, durfte er los. Er wolle auf dem Hof mal nach dem Rechten sehen, und sie hatte ihn darin bestärkt. Da gehe es nicht rechtens zu, man höre und sehe niemanden von den Bewohnern im Dorf.
Und dann war eine gute Woche später der Gutshof bis auf die Grundmauern abgebrannt, ein mehr als denkwürdiges Zusammentreffen. Bergen hatte gewusst, dass das kein Zufall war.
Und auch Frau Seefeld hatte sich im ganzen Dorf über dieses Zusammentreffen ausgelassen:
»So ein Zufall aber auch, das gibt es doch nicht. Da spaziert der Junge nach Jahrzehnten durch das Dorf, und wenig später brennt der Hof runter bis auf die Grundmauern. Wie ist das denn nur möglich? Da hat doch der Teufel seine Hand im Spiel, das hat er wohl.«
So und ähnlich verbreitete sich Anna Seefeld über diesen merkwürdigen Zufall, der ihr einfach nicht aus dem Kopf wollte. Auf diesem Weg hatten auch die Brandermittler von dem Besuch erfahren. Und nachdem sie mehrere Brandsätze gefunden hatten, waren sie zunächst der Meinung gewesen, einem Versicherungsbetrug auf die Spur gekommen zu sein. Als dann der als Suizid getarnte Mord an Friedrich Trüstedt bekannt wurde, machte sich die Kripo auf die Suche nach möglichen Erben. So kam eins zum anderen, und Bergen hatte, wie gesagt, die Fäden in der Hand, nur leider keinen Hinweis auf einen zweiten Ort.
Die Täter hatten gründlich gearbeitet. Das Feuer hatte nur wenig Verwertbares übrig gelassen. Die Menschen, die seit einiger Zeit auf dem Hof gelebt hatten, mussten rechtzeitig verschwunden sein, sodass zum Glück niemand zu Schaden gekommen war. An den Pächter heranzukommen, erwies sich als unmöglich: Seine Berliner Firma, an die auch die Briefe von Trüstedt gerichtet waren, stellte sich als Briefkastenfirma heraus.
Bergens Zusammenarbeit mit den Aldenburgern war äußerst zufriedenstellend gewesen, und so war er zuversichtlich, dass es am nächsten Tag endlich zu einem Durchbruch kommen würde. Er sollte von allen Papieren und Fotos, die nach dem Brand sichergestellt und rekonstruiert werden konnten, Kopien zugestellt bekommen. Und dann würde sich
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