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Himmelskinder

Himmelskinder

Titel: Himmelskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Feldhausen
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Wohnwagen, den er sich für wenig Geld gekauft und mit viel Arbeit hergerichtet hatte, musste er bald wieder abgeben, weil er die Jahrespacht am Niederrhein nicht hatte bezahlen können.
    »Wer in der Demokratie schläft, wird in einer Warendiktatur wach«, hatte sein Vater den beiden Söhnen gepredigt. Er war als aktiver Gewerkschafter fast vierzig Jahre bei der Wasserschutzpolizei gewesen, als er innerhalb weniger Monate an Lungenkrebs verstarb, kurz vor der ersehnten Pensionierung.
    Du verpasst nichts, Vater. Es ist alles beim Alten, dachte Alvermann, faltete die Zeitung sorgfältig zusammen und warf sie in den Papierkorb.
    Er langte nach der Trüstedt-Akte. Es war wohl nicht länger aufzuschieben.

3
    Zwei Fotos des lebenden Trüstedt hatte er selber aus dessen Wohnung mitgenommen. Hinzugekommen waren Aussagen der Nachbarn und der rechtsmedizinische Befund. Schlechtriem und sein Team hatten das Hotelzimmer samt Bad auseinandergenommen. Der Inhalt Dutzender Tütchen lag im Labor, das würde dauern. Sicher war er sich aber, der Herr Startechniker, dass es sich um Suizid handelte. – Fremdverschulden ausgeschlossen.
    Alvermann legte die Bilder neben die letzten Aufnahmen aus dem Hotelzimmer und betrachtete sie. Trüstedt als junger Mann, um die zwanzig Jahre, und dann noch einmal zwanzig Jahre älter laut Datum auf der Rückseite. Er konnte kaum einen Unterschied erkennen, trotz der Altersdifferenz. Die Augen auf beiden Fotos waren merkwürdig erloschen; Gesicht und Haltung, als hätte jemand die Luft herausgelassen.
    Was war da los gewesen Freitagnacht? Es muss dich jemand besucht haben, den du kanntest und hereingelassen hast. Und dieser Brief – für wen hast du den geschrieben? Und warum haben wir bisher nicht eine Zeile von dir für einen Schriftvergleich gefunden?
    Sie mussten unbedingt Kontakt zu der Studentin bekommen, die in der fraglichen Nacht Dienst und Trüstedt den Schlüssel für sein Zimmer ausgehändigt hatte.
    Er öffnete die unterste Schublade seines Schreibtisches und griff sich eine Abarisco. Genießerisch roch er an ihr und legte sie wieder zurück.
    Der Tote war wenig älter als er, Anfang fünfzig. Er überflog den Bericht des Gerichtsmediziners. Trüstedt hätte noch lange leben können, bis auf eine leichte Magenschleimhautentzündung war er kerngesund. Die Uhr des Toten, seine Barschaft, alles war vorhanden gewesen, auch sein Wohnungsschlüssel. Warum der Umstand, ein Hotelzimmer aufzusuchen, um sich eine Kugel in den Kopf zu schießen?
    Alvermann hatte Stunden in Trüstedts Wohnung verbracht, war wieder und wieder durch die Zimmer gelaufen und hatte versucht, sich einen Eindruck von dem Toten und seinem Leben zu verschaffen. Die Wohnung war ihm nichtssagend erschienen, bis auf die teure Musikanlage und die beachtliche CD-Sammlung. Er hatte die CDs durchgeschaut und sich gewundert, Jazz durch alle Epochen.
    Auf die Frage, was für ein Mensch Trüstedt gewesen war, der in dieser Sterilität gelebt hatte, hatte er bislang kaum Antworten gefunden. Trüstedt als Musikliebhaber und jemand, dem Ordnung und Sauberkeit wichtig gewesen waren – weiter war er nicht gekommen. In einem fast leeren Buch gab es wenig zu lesen.
    Wieder öffnete er die Schublade, und diesmal war es keine Frage, schon bald zog der aromatische Duft seiner Lieblingszigarillos durchs Zimmer.
    Als das Telefon klingelte, verschluckte er sich am Rauch und meldete sich hustend. Frau Dr. van Laack schien irritiert:
    »Alvermann, sind Sie das? Van Laack hier. Was ist los? Sind Sie krank?«
    »Nein, nein, habe mich verschluckt.«
    Telefonate mit der Leiterin der Direktion Kriminalität dauerten. Alvermann brachte sich in eine angenehme Sitzhaltung und inhalierte so geräuschlos wie möglich. Erst ging es um Statistiken, dann kam sie auf Trüstedt zu sprechen:
    »Wie kommen Sie in der Sache weiter? Schließen Sie sich Schlechtriem an?«
    »Das Telefonat gestern mit seiner Nachbarin lässt mich noch mehr zweifeln. Es passt irgendwie alles nicht zusammen, davon lass ich mich erst mal nicht abbringen.«
    »Schlechtriem ist sich sicher.«
    »Der Herr Cheftechniker schwört auf diese Handschuhe.«
    »Hm. Lassen Sie mich wissen, wie Sie vorankommen. Übrigens, da läuft gerade wieder eine Beschwerde gegen Masur. Sagen Sie ihm, er soll einfach den Mund halten, wenn Bergen in der Nähe ist.«
    Bevor sie auflegte, zitierte sie Masur wortwörtlich.
    Wer Bergen kennt, dachte Alvermann, muss zugeben, dass Masur die Dinge beim Namen genannt

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