Himmelskinder
hat.
Den Bericht über das gestrige Gespräch mit Trüstedts Nachbarin hatte er im pc gespeichert und las ihn noch einmal durch. Er schickte ihn nach ein paar Veränderungen an seine Mitarbeiter. Dann machte er sich auf den Weg zu Peter Masur. Auf der zweiten Ebene traf er Münster mit seinem Aktenwagen.
»Na, sag mal … du auf der Treppe? Ist der Aufzug kaputt?«
Alvermann zeigte ihm seinen Mittelfinger und verschwand in Richtung Masurs Zimmer. Er klopfte nicht, sondern riss die Tür auf. Peter Masur stand paffend in einer Rauchwolke mitten im Zimmer und schaute aus dem Fenster. Er drehte sich um, als der Kollege in sein Zimmer gepoltert kam.
»Was willst du? Geh mir nicht auf den Senkel; ich denke nach!«
Alvermann ging zum Fenster und öffnete es sperrangelweit.
»Rauchen ist in allen Räumen untersagt, Masur. Und hast du wirklich gesagt, dass Bergen sich von Gröbner ficken lässt?«
Masur nickte mit dem Kopf.
»Ja, sicher, warum?«
Alvermann stöhnte genervt.
»Wenn Bergen sich weiter oben beschwert, kannst du dir einen neuen Job suchen. Es wäre das zweite Mal in diesem Jahr, ganz zu schweigen von deinem Ruf … im Allgemeinen. Menschenskind, Masur, die erste Abmahnung ist noch nicht vom Tisch. Kannst du nicht einfach die Schnauze halten, wenn Bergen auftaucht? Meint die van Laack übrigens auch.«
Peter Masur lachte freudlos.
»Ach ja? Alle sehen zu, wie Bergen sich von Gröbner … manipulieren lässt. Ihr kriegt das da oben nicht mit, auch du nicht, Alvermann. Indische Brillenkobra, so in der Art, dieser Gröbner. Entwürdigend nenne ich das.«
»Der Tatbestand einer Manipulation muss nicht dringend mit einem analen Geschlechtsakt beschrieben werden.«
Masur machte mit einem hässlichen Grinsen eindeutige Hüftbewegungen.
»Doch, muss er, wie du siehst. Jetzt ist es Thema, vorher war es das nicht.«
»Wer hat dir eigentlich dieses T-Shirt geschenkt? Du siehst sowieso uralt aus. »Too old to die young« – hat das schon die van Laack gesehen? Da kommst du bestimmt in den Genuss einer kleinen Ansprache über Dienstkleidung.«
»Zum Thema Alter habe ich auch was für dich.«
»Aha.«
»Diese Janne, sag mal, ist die nicht an die zwanzig Jahre jünger als du? Die Virilität von Männern passenden Alters ist deiner sicher überlegen, das muss dir doch klar sein! Na hör mal! Dass so viel Temperament noch in den alten Knochen steckt! Meine Verehrung!«
Alvermann hatte sich den Papierkorb gegriffen und ihn auf dem Schreibtisch geleert, direkt über der Tageszeitung. Er sah einen Kaffeefilter seinen Inhalt über die Zeitung verteilen, als Masur brüllte:
»Mann, du bist vielleicht ein Riesenarschloch! Die habe ich noch nicht gelesen!«
Die Tür knallte ins Schloss. Alvermann grinste. Die Runde ging ja wohl an ihn. Im Treppenhaus dachte er kurz, dass Masur gar nicht so danebenlag mit seiner Bemerkung. Eigentlich mit beiden, leider.
Zurück in seinem Zimmer liebäugelte er erneut mit einer Abarisco und hatte sie schon in der Hand. Unschlüssig roch er an ihr, legte sie dann zurück in ihren Holzkasten, holte sie wieder hervor und zündete sie an. Ihm fiel ein, dass er mit Masur auch über Trüstedt hatte sprechen wollen. Er wählte seine Nummer.
»Na, ist die Sauerei vom Tisch?«
»Du kannst die Wahrheit nicht vertragen, das ist es!«
»Hör mal, weswegen ich noch mit dir sprechen wollte. Die Trüstedt-Sache, was denkst du?«
»Stinkt! Alles viel zu glatt. Für wen war der Abschiedsbrief? Er hat doch angeblich niemanden. Also, für wen, wenn nicht für uns? Und dann war er vielleicht gar nicht von ihm. Es war ja nichts zu finden, um einen Schriftvergleich machen zu können! Die Bude muss total ausgeräumt worden sein.«
»Habe ich auch dran gedacht, aber es gibt keine Hinweise, die darauf schließen lassen. Andererseits, diese Öde in der Wohnung ist für mich unbegreiflich … Und wieso eigentlich Brillenkobra?«
»Guck dir den Gröbner mal an mit seiner Hodenstockbrille! Bis später.«
»Schon etwas aus der Zeit, Masur. Du warst schon besser.«
4
Die Mittagsbesprechung fand wie immer um 12.30 Uhr im gelben Zimmer statt. Irgendjemand hatte die Fenster weit aufgerissen. Die Maisonne brachte das fahle Gelb der Wände zum Strahlen. Die Kollegen hatten Alvermanns Gesprächsnotiz vor sich liegen. Bilder vom Tatort, wenn er denn einer war, hingen an der Stellwand. Demnach war das Mercator ein Hotel der billigeren Sorte: Sperrholz, kahle Wände, trostloses Grau auf dem Boden. Und eben
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