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Himmelskinder

Himmelskinder

Titel: Himmelskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Feldhausen
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Ernsthaftigkeit gesprochen, offenbar eine Autorität in Fragen der Tagesgestaltung ihrer Mutter. Alvermann nickte angemessen, mehr blieb nicht zu tun.
    Lieber Himmel, dachte er in Anbetracht all der Kinder, die ihm während seines langen Berufslebens begegnet waren. Was für ein Potenzial, wenn alles normal lief!
    »Willste mitmachen?«, lud Lotte ein.
    Alvermann überlegte, eine Runde zu hinkeln, schaute dann aber auf seine Uhr.
    »Geht leider nicht, ich muss arbeiten. Außerdem bin ich auch nicht so gut im Hüpfen.«
    Lotte nickte verständnisvoll, und Alvermann war entlassen. Er ging zu seinem Wagen und verschwand in die Erwachsenenwelt.

2
    Punkt 7 Uhr betrat er die Eingangshalle des Karlsbacher Präsidiums. Er griff sich die Tageszeitung aus dem Wartebereich und lief die Treppen hoch bis in den dritten Stock. Oben angekommen war er außer Atem. Die Stelle über dem Ohr meldete sich wieder. Vielleicht sollte er doch die Blutdrucksenker schlucken, die ihm Dr. Emons verschrieben hatte? Aber nach dem Blick auf den Beipackzettel stand zu befürchten, dass sich sein Blutdruck möglicherweise beruhigte, sich aber stattdessen Sehstörungen, Schwindel und weiß der Teufel was noch einstellten. Die Rede war auch von einer Verminderung der Blutplättchen, was immer das heißen mochte. Es fehlten auch nicht die beliebten Potenzstörungen. Merkwürdig allerdings, dass nur wenige Todesfälle zu beklagen waren. Wenn da mal nicht geschwindelt wurde.
    Sein Schreibtisch glotzte ihn unaufgeräumt an. Und wieso stank es hier so bestialisch? Der Übeltäter war bald ausgemacht: Ein Stück Mettbrötchen hatte das Wochenende im Papierkorb verbringen müssen.
    »Sauerei«, schimpfte Alvermann vor sich hin. »Ich denke, hier wird regelmäßig geleert!«
    Er beschwerte sich telefonisch beim Vorzimmer des Allerheiligsten, weil sonst noch niemand von den Damen zu erreichen war. Erstens sei sie der falsche Ansprechpartner, kam es empört zurück, und außerdem gebe es für den Restmüll einen Eimer in der Teeküche. Ob er das immer noch nicht wisse nach 17 Dienstjahren.
    Alle Wetter, da ist ja jemand bestens informiert.
    Der sei sicher auch nicht geleert, grantelte Alvermann aus Lust am Streit und weil er im Unrecht war. Und wahrhaftig entblödete sich das Vorzimmer nicht, fünf Minuten später anzurufen und ihm die freudige Botschaft zu verkünden, er könne nach Herzenslust seinen Restmüll in der Küche loswerden; der Eimer sei natürlich geleert.
    »Wenn wir Sie nicht hätten!«
    Frauen um die vierzig, wie aus dem Ei gepellt, tüchtig und eloquent, wie Dorothea, seine Ehemalige. Irgendwie kam er mit ihnen nicht zurecht.
    Er breitete die Zeitung über dem Chaos auf seinem Arbeitstisch aus und atmete tief durch. Sein Blutdruck schien das kleine Scharmützel genossen zu haben und lief wieder zur Höchstform auf. Halbherzig machte Alvermann ein paar Entspannungsübungen, die Janne ihm kurz nach Petersens Tod gezeigt hatte.
    Keinen Kaffee mehr, stattdessen zwei Liter stilles Wasser, auch wenn das Zeug nicht schmeckt.
    Dabei schien ihm die Vorstellung, mit Plastikflaschen durch die Gegend zu rennen, abwegig.
    Drei Tassen Kaffee täglich, mehr nicht, Wasser zum Mittag und Nikotin erst ab 18 Uhr, beschloss er ohne allzu große Hoffnung.
    Er überflog die Schlagzeilen. Blätterte, nichts, was ihn interessierte. Doch, hier die Todesanzeigen. Einer der Verstorbenen war jünger als er. Über die Ursache war nichts zu lesen, nur das Übliche, viel zu früh von uns gegangen, gekämpft und verloren und so weiter. Dann fand er doch einen Hinweis: Statt Blumen Spenden erbeten an die Krebsstation der Universitätsklinik.
    Muss nicht die Lunge sein, kann genauso gut Nieren- oder Hautkrebs sein.
    Er schob die Schreibtischschublade, in der sich seine Zigarillos befanden, mit einem lauten Knall zu.
    Alvermann verstand nicht, was die Menschen daran fanden, sich von der Sonne braten zu lassen. Was war langweiliger, als sich wie ein geöltes Brathähnchen am Spieß zu drehen? Er blätterte lustlos zurück. Zeit schinden, sich noch ein wenig vor der Trüstedt-Sache drücken. Der Flughafen macht wieder von sich reden und, ja, natürlich, die Aktionäre von Henkel hatten sich versammelt und gejammert. Arme Hunde, kurz vorm Offenbarungseid.
    Der Groll stieg in ihm hoch, als er unvermittelt das Gesicht seines Vaters vor sich sah, der sich trotz fortwährender Schufterei seine wenigen Wünsche nicht hatte erfüllen können. Die Decke war immer zu kurz gewesen. Den

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