Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
Vom Netzwerk:
ich habe auch nie so viel Kälte erlitten wie der Omo Nudo, um zum Omo Nudo zu werden, so wie ich auch nie dem großen Champion William Grover-Williams Brotkrumen geschenkt habe.
    »Ich werd froher zur Behörde gehn, wenn die Schöne hier mir einen schönen schüchternen Kuss geben tät«, sagte der Omo Nudo an jenem Morgen zu Nita.
    Und die Großbrüstige gab ihm einen Kuss, und dabei stellte sie fest, dass am verwaschenen weißen Hemd des Omo Nudo ein paar Knöpfe fehlten. So fand sie ein paar passende im Kästchen für verwaiste Knöpfe und nähte sie ihm im Stehen an, mit dieser wunderschönen Geste schwangerer Frauen, die den Zwirn mit Spucke befeuchten, um ihn durch das Nadelöhr zu fädeln, die Nadel zwischen den Lippen halten, während sie genau Maß nehmen und den Männern die Knöpfe annähen, wobei sie den Bauch gegen deren Bauch pressen. Wie Maria es wer weiß wie oft bei Josef gemacht hatte.
    Man hat später erfahren, dass der Omo Nudo dem Kuss und den Knöpfen Ehre erwiesen und die passende scharfsinnige und wilde Art gefunden hat, sich für die ungerechten Nachstellungen durch die Behörde zu rächen. Aber das geschah, als es schon tiefer Winter war, in jenen wunderbaren Tagen der Ruhe kurz vor Lichtmess, wenn der dunkle Tramontana jeden Abend eine Handbreit Schnee vom Apennin herunterweht; Tage, bestens geeignet für das Schweineschlachten, ruhmreiche Momente für die Metzgerkunst des Omo Nudo.
    Damals fielen so große und dichte Flocken, dass sie wie Plätzchen aussahen und man Lust bekam, sie zu essen; die Kinder der Engländer aßen sie wirklich, und Nita sah ihnen hingerissen zu und schüttelte den Kopf und stellte fest, dass der Schnee besser war als das, was sie bei sich zu Hause fanden. Am Morgen kämpften sich die Schneepflüge die Serpentinen hinauf, und in der Stille belästigten und erschreckten sie uns; sie stanken rücksichtslos nach Diesel und sahen aus wie Panzertruppen einer schmutzigen Besatzerarmee, die heraufkam, um uns aufzuscheuchen. Die FIAT 90 waren so alt, dass die Unternehmen niemanden fanden, der sie fahren wollte, auch nicht bei den Mazedoniern, die sich üblicherweise für alles hergaben, und so nahmen sie ehemalige Lastwagenfahrer aus den Dörfern jenseits des Kamms unter Vertrag, die nach dem Krieg gelernt hatten, die Fahrzeuge über die ungeteerten, von den Amerikanern planierten Straßen zu fahren; betrunken und alle kurz davor, auf einen Schlag zu krepieren. Wir kennen sie, sie sprechen noch wie in den alten Zeiten, sodass man Mühe hat sie zu verstehen; mittags halten sie mit ihren Fahrzeugen unterwegs vor einem Gasthaus und essen und trinken miteinander, schweigsam, bis sie beim Fernet-Branca angelangt sind. Dann fluchen sie eine Viertelstunde lang und fahren weiter.
    In jenen Tagen war nicht viel zu tun, außer klafterweise Holz in den Kamin zu werfen und den wärmsten Platz zu suchen, an dem man lesen konnte, der am Ende immer das Bett oben war. Nita stellte nachts den Dinkel zum Einweichen hin, und morgens kochte sie die Suppe, dann nahm sie zwei, drei Bücher und legte sich neben mich. Sie störte nicht, war aber bereit, mich bei meiner ersten Bewegung leicht zu berühren.
    Der Geruch nach Pilzen, die wir gerade unter den Blättern eines dreihundertjährigen Kastanienbaums gefunden hatten, das leichte Knistern der noch nicht ganz getrockneten Blätter.
    Wenn es anfing kalt zu werden, packte mich die Leidenschaft für Geschichten der frühen Antike, sie spürte die Jahreszeiten nicht, und auch unter einem Meter Schnee zeigte sie weiterhin ihre traditionelle anspruchsvolle Frankofonie. Doch wenn es vorkam, dass wir uns berührten, dann sprachen wir von unserer Tochter; und wo ich im Denken eher widerspenstig war, waren ihre Gedanken diesbezüglich klar und entschieden. Sie hätte Locken wie Berenice und würde sie ihrem Mann opfern, denn etwas von ihr sollte auf ewig im Himmel glänzen, da sie aus der Ewigkeit gekommen war. Aber ihr Herz wäre groß und entschlossen wie das des größten Champions William Grover-Williams, und wenn dieses große Herz sie bis zum äußersten Opfer führen würde, dann müsste sie eben so sein, ohne jedes Bedauern. Sie wäre handgreiflich wie Bradamante und auch ein wenig lasziv und promisk wie sie, aber ihr Kopf wäre der von Astolfo; auch weil sie das Auto ihrer Mutter erben sollte, das als Transportmittel sehr viel eher dem Wagen von Elias ähnelte, wenn dieser noch durch die Straßen der Welt bis zum Mond hinauffahren könnte. Und

Weitere Kostenlose Bücher