Himmelsmechanik (German Edition)
doch so oft mussten ihn seine Gefährten stützen, einer hier und einer da.
Zur Vervollständigung der Information fügt sie hinzu, irgendwo im Internet behaupte jemand, dass er in Wirklichkeit überlebt habe, man ihn für tot gehalten und im Tauwetter in Holstein habe liegen lassen. Dass er von den Sowjets aufgefunden wurde und darum gebeten habe, in die Gascogne gebracht zu werden, wo er bis zu seinem Tod lebte, ohne den Mund aufzumachen oder irgendetwas zu tun. Doch das ist die alte Geschichte bei allen großen Champions und Helden. Wäre es so gelaufen, dann wäre der Omo Nudo gar nicht hier, sondern in der prächtigen Villa seines großen Freundes immer noch dabei, die großen Fragen des Lebens zu lernen, ohne einen einzigen guten Grund, um zurückzukehren.
Aber die Dinge liefen, wie sie gelaufen sind. Er gehört zu denen, die noch auf den Füßen stehen, obwohl sie es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr tun dürften, und alles, was er im Kopf hatte, war, an den einzigen Ort auf der Welt zurückzukehren, den er kannte.
Nita sagt, es gäbe jedenfalls ein offizielles Grab von William Grover-Williams in Brookwood, in Surrey. Dieser Platz ist eine Art Totenwald, ein ganzes Tal voller Gräber von Soldaten, die für England gefallen sind. Ihrer Meinung nach ist das kein passender Ort für diesen Mann, und dass er dort ist, verdankt sich nur der Tatsache, dass er sich diesbezüglich nicht mehr äußern konnte. Sie kennt aber einen anderen Platz, einen sehr schönen Ort, von einer herzzerreißenden Schönheit, die zu seinem Ideal passt. Er ist in Frankreich, im Park eines prachtvollen Schlosses in der Nähe der Stadt Valençay. Dort steht ein Monument, das den Gefallenen der Résistance, einschließlich ihres Helden und seines Rennfahrerfreundes Benoît gewidmet ist. Hätte er wählen können, müsste er irgendwo dort im Park begraben sein. Das Monument ist nicht schön und vielleicht sogar hässlich, aber das hat keine Bedeutung; was zählt, ist, dass es im herrlichen Park dieses edlen Schlosses eines sehr alten Geschlechts von Herzögen steht. Sodass, wie sie sagt, sich alle Gefallenen als wahre Herren fühlen können, wie sie es eigentlich auch gewesen sind.
Im nächsten Sommer fahren sie, Nita und der Omo Nudo, nach Valençay. Das wird der erste Ausflug sein, den Bresci macht, seit er aus Sachsenhausen zurückgekehrt ist, und sie bereiten ihn äußerst sorgfältig vor, besonders was das Essen angeht, das sie mitnehmen müssen, da der Omo Nudo nicht in der Lage ist, sich anders zu ernähren als von dem, was er sich selbst zubereitet; mit Ausnahme von Nitas Suppe natürlich. Jedes Mal, wenn sie darüber sprechen, wird der Omo Nudo ganz schüchtern, doch er wird das Schloss seines großen Freundes William Grover-Williams besichtigen gehen, und sei es das Letzte, was er in seinem Leben tun wird. Es wird eine spektakuläre Fahrt sein, da bin ich mir sicher: von hier bis an die Loire in Nitas Auto, einem milchkaffeebraunen Karmann von 1965. Einem Coupé mit widerspenstigem Charakter, den einzufahren und zu einem Rennen zu bringen der große Fahrer nicht verachtet hätte. Offenbar ist es eine Reise zu zweit, und ich werde sie gerne abfahren sehen.
Wird sie dann schon niedergekommen sein? Wird sie auf der Reise entbinden? Wir haben über ihre diesbezüglichen Pläne noch nicht gesprochen.
Wie der Omo Nudo zurückgekehrt ist
So griesgrämig und raubeinig er auch ist, hat sich Bresci doch die Mühe gemacht, all seinen Schweinen einen Namen zu geben; und darin ist er, soweit ich weiß, im ganzen Revier einmalig. Hier hat niemand Lust, mit einem Tier vertraulich zu werden, dessen Herz kaum ein Jahr später von einem Keil aus Karnelkirschenholz durchbohrt werden wird, von eigener Hand oder durch die des Vaters oder des Bruders. Namen gibt man Kühen, Schafen und Hunden, denn wenn man will, dass sie das geben, wofür sie da sind, muss man das ganze Leben lang mit ihnen reden. Man wünscht sich, dass es möglichst lang ist, und manchmal dauert es auch länger als unser eigenes, und das ist auch gut so. Nicht einmal Katzen haben hier bei uns einen Namen, sie würden ja sowieso nicht auf dich hören; und es gibt keine größere Demütigung, keine schlimmere Einsamkeit als die, von seinem eigenen Tier nicht anerkannt zu werden.
Bresci ist unbestritten der beste Schlachter des Reviers, aber er verrichtet seine Dienste nicht für Dritte: Er schlachtet nur seine eigenen Tiere, die, die er kennt. Und er schaut, im
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