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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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einschiffte, noch den Atem der Schwarzhemden im Nacken. Von da an war es ein ganz anderes Abenteuer gewesen. Er war in Argentinien gelandet, und es gefiel ihm gleich gut, man verstand, was die Leute redeten, und man aß fast wie zu Hause; da er ein tüchtiger und erfahrener Steinbrecher war, entdeckte er sofort, dass sie dort mit dem Stein nicht geschickt waren. Im Handumdrehen zog er einen Handel mit Grabsteinen auf: Von den Meistern aus der Versilia hatte er den Schlag mit dem Meißel gelernt, und er hatte den Katalog mit den Grablettern, den Verzierungen und den Gebeten mitgebracht. Er konnte so gut arbeiten, dass, auch wenn er billigen Serpentin benutzte, ihm seine Stücke besser gelangen als mit Marmor. Das Unglück wollte es, dass er von einem Freund in Versuchung geführt wurde, den er in der Bergregion von Mendoza kennengelernt hatte, wo er sich mit Material versorgte. Dieser Freund, dessen Namen Otello noblerweise in seinen Briefen nie nannte, überredete ihn, dass er, da er es verstand, mit gewöhnlichem Stein zu arbeiten, diesen ebenso gut als Marmor verkaufen könne. Dass es sich nicht lohnte, sich für die Menschen von dort, die von schön und hässlich keine Ahnung hätten, anzustrengen.
    Auf diese Weise machten sie nicht wenig Geld, und Otello, der sich ein rechtschaffenes Herz bewahrte, versäumte es nicht, seiner geliebten Frau so viel zu schicken, dass sie den Wald von Trasillico kaufen konnte, der noch heute Brescis Wald ist. Doch dann übernahmen sie sich, und zwar, als sie eine dorische Säule für das Familiengrab des größten Rinderzüchters der Provinz Rio Negro für echt verkauften. Dieser hatte, wie sie erst zu spät erfuhren, bereits ein Haus mit dreißig Zimmern ganz mit echtem Carrara-Marmor ausgestattet. Er präsentierte ihnen sein Haus und ließ sie seinen Marmor anfassen, stolz darauf, 10000 amerikanische Dollar nur für die Charterung des Schiffes ausgegeben zu haben, das diesen hergebracht hatte, woraufhin seine Gauchos sie blutig prügelten. Infolge des unerfreulichen Zwischenfalls verbreitete sich das Gerücht in allen Provinzen, Otello und sein unbekannter Freund seien Schänder von Grabsteinen, und im Nu wurde eine Vereinigung unzufriedener Kunden gegründet, zu dem einzigen Zweck, die Betrüger zu erschießen, sobald man ihrer ansichtig würde. Denn in Amerika ist nicht, wie ihr glaubt, alles schön und einfach, und dort herrschen weder Gerechtigkeit noch Mitleid.
    Otello schrieb sechs Jahre lang nicht mehr, und als er wieder etwas von sich hören ließ, schickte er zunächst Geld, so viel, dass Melina fünfzig Milchschafe und dann noch einen Stall mit zwei Kühen kaufen konnte. Dann fing er an, aus Bogotà in Kolumbien zu schreiben, und er sprach von Wundern, die man kaum glauben konnte. In diesen wenigen Jahren hatte er sich, obwohl aus Argentinien geflohen und mit wenig Geld, als Schokoladenhersteller etabliert und ein Vermögen gemacht. Der beste Schokoladenhersteller des ganzen Landes, könnte man sagen. Dabei muss man bedenken, dass Otello, als er losfuhr, noch nie Schokolade gegessen hatte, sondern nur aus Postkarten von seinem englischen Vater davon gehört hatte.
    Er war reich geworden, vergaß aber nicht das Ideal. Zusammen mit dem Geld schickte er Ermahnungen an seinen Sohn, der Sache Ehre zu erweisen, er wisse schon, welcher. Und Weiteres fügte er nicht hinzu, er ermahnte ihn nur, wegen der faschistischen Zensur, die auch für Briefe emigrierter Söhne Italiens galt, die doch nur das Vaterland größer machen wollten. Und als die ersten Anzeichen des Krieges sichtbar wurden, befahl er seiner geliebten Frau, ein Bauernhaus hoch genug im Tal zu kaufen, wo sie die Herden und Güter halten und wohin sie selbst mit ihrem Sohn umziehen sollte. Und das ist das Haus, wo der Omo Nudo wohnt, auch wenn er, als er von den Gletschern des Nordens zurückkam, weder Güter noch Herden fand, sondern nur die Mauern mit Maschinengewehrspuren, und auch nicht alle. Otello, so sagt Bresci, ließ nie etwas von einer Rückkehr verlauten, und seine Mutter machte ihm diesbezüglich auch keine Illusionen, auch nicht in den Jahren seiner Kindheit, als ihm der Vater fehlte.
    Die Santarellina vermutet, selbst wenn er als Herr von ganz Amerika zurückgekehrt wäre und obwohl seine Freunde als Partisanen auf den Straßen unterwegs waren, hätte ihm Melina dennoch die Kehle durchgeschnitten. Denn hier werden Schulden beglichen, und für Hörner gibt es keinen Preis.
    Man vermutet, dass Otello kurz

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