Himmelspfade - Engel weisen uns den Weg
ein offenes Buch, dessen Seiten sich ständig veränderten. Sein helles Haar wirkte extrem fein. Hin und wieder umspielte es sanft sein Gesicht. Er war in einen Stoff gehüllt, der wie Seide aussah und sich an seinem Körper entlang mehrfach überkreuzte wie die Bindung eines Buches. Die Farben waren nicht von dieser Welt. Am ehesten kann ich sie mit Farben vergleichen, die sich im Wasser spiegeln und sich dabei im Licht ständig verändern. Dann erhaschte ich einen kurzen Blick auf seine Flügel. Sie waren riesig, und das Licht glitt darüber hinweg wie gekräuselte Wellen – so als bewegten sich zahlreiche Engelsflügel im selben Rhythmus. In seiner rechten Hand hielt er ein Buch.
Der Erzengel Gabriel kam langsam aus dem Hintergrund nach vorne – dabei befand er sich stets im Licht des Tores. Dann trat er durch das helle Licht des Tores hindurch, und dabei veränderte sich sein Erscheinungsbild. Jetzt hatte er wieder die vertraute schwach sichtbare Gestalt eines Motorradfahrers. Sein Gesicht und seine Augen veränderten sich allerdings nicht. Wir begrüßten einander.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein Erzengel bist?«, fragte ich ihn.
»Weil es damals weder für dich an der Zeit war, das zu erfahren, noch für mich, es dir zu sagen, Lorna«, gab Gabriel zurück. »Das konnte nur der Erzengel Michael tun.«
»Meinst du damit, dass Michael der Chef ist?«, fragte ich frech.
»Jawohl, Lorna«, antwortete der Erzengel Michael und lachte. Wir lachten alle. Das Lachen der beiden Erzengel klang wie Donnergrollen. So hatte ich sie noch nie lachen hören. Und mit diesem Lachen verschwand Michael.
»Was ist das für ein Buch, das du da bei dir trägst?«, fragte ich Gabriel.
Er sah mich an und erwiderte: »Stell keine Fragen, Lorna!«
»Ich hätte mir eigentlich denken können, dass es mit dir etwas Besonderes auf sich hat«, sagte ich nachdenklich. »Du hast dich mir immer nur so schwach und blass gezeigt.«
Gabriel lächelte. »Es wird nun nicht mehr allzu lange dauern, bis du wieder ein leuchtendes Baby siehst, Lorna. Aber diesem Kind wurde erlaubt, etwas größer zu werden.« Mit diesen Worten verschwand Gabriel.
Tief beeindruckt ging ich zurück in das alte Bauernhaus. Alle Pläne, die Nebengebäude aufzuräumen, waren verflogen – wieder einmal. Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich ein leuchtendes Baby gesehen hatte. Damals war ich etwa zehn Jahre alt gewesen, und Gabriel war ein paar Wochen zuvor zu mir gekommen, um mir zu sagen, dass es bald geschehen würde. Ich war auf dem Nachhauseweg von der Schule in Ballymun. Die Engel forderten mich auf, über die Felder zu gehen. Durch eins dieser Felder floss ein Bach, und es gab dort auch einen kleinen Teich mit einer Insel in der Mitte. Neben dem Teich standen ein paar Bäume. Die Engel wiesen mich an, mich auf einen alten Baumstamm zu setzen, der bereits vor Jahren umgestürzt war. Also kletterte ich dort hinauf und beobachtete ein Kaninchen, das ganz in der Nähe am Gras knabberte.
Links von mir erschien ein extrem helles Licht in Gestalt eines Tores. Ich wusste sofort, dass es der Engel Gabriel war, und freute mich. Gabriel kam auf mich zu. Dabei wurde das Licht schwächer, und seine menschliche Gestalt erschien mit jedem Schritt ein wenig deutlicher. Er trug dieselbe Kleidung wie damals, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seine menschliche Erscheinungsform war immer noch sehr blass. Er begrüßte mich, und ich streckte die Hand aus, um ihn zu berühren. Doch obwohl er direkt neben mir stand, konnte ich ihn nicht erreichen. Gabriel lächelte mich an.
»Nein, Lorna, du kannst mich nicht berühren.« Ich fragte ihn, warum es nicht ginge, aber Gabriel gab mir keine Antwort darauf.
»Ich bin gekommen, um mit dir über die leuchtenden Babys zu sprechen. Weißt du noch, was ich dir gesagt habe, als du klein warst, Lorna?«
»Ja, dass meine Puppe vom Öl verschmutzt wurde«, antwortete ich stolz. »Du hast ein anderes Wort verwendet, Gabriel, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern.«
»Kontaminiert«, sagte Gabriel.
»Gibt es gerade leuchtende Babys auf der Welt?«, fragte ich ihn.
»Im Laufe der Jahre hat es einige gegeben, und weitere wurden vor Kurzem geboren, darunter auch eins hier in Irland. Ich bin hier, um dir zu sagen, dass du nun bald dein erstes leuchtendes Baby sehen wirst. Diese Babys sind etwas ganz Besonderes, aber mit ihnen stimmt immer etwas nicht.«
»Meinst du das große Wort, das sie immer über mich
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