Himmelspfade - Engel weisen uns den Weg
mich, ihn zu sehen, begrüßte ihn und sagte: »Natürlich könnte ich etwas Hilfe gebrauchen.«
Michael lächelte mich an und sagte: »Ich möchte mit dir über den Engel Gabriel sprechen, Lorna.«
Ich sah ihn überrascht an. Michael hatte den Engel Gabriel mir gegenüber noch nie erwähnt, und ich war ihm nur sehr selten begegnet. Beim ersten Mal war ich etwa fünf Jahre alt und wohnte in Old Kilmainham in Dublin. Ich spielte mit meiner Freundin Josie in der Autowerkstatt ihres Vaters. Nun ja, jeder nannte es Autowerkstatt, aber eigentlich war es nur ein großer alter Hof, in dessen hinterem Teil sich alte Autowracks stapelten. Im vorderen Hofbereich befand sich ein kleiner Raum ohne Dach, nur mit Wänden. Dort durften wir spielen. An diesem Tag saß ich gerade auf einer alten Holzkiste und spielte allein mit meiner Puppe. Ich war von Engeln umgeben, und einer von ihnen sagte mir, ich würde Besuch bekommen. Plötzlich sah ich ein sehr helles Licht in der Wandöffnung, die als Eingang diente. In diesem Licht konnte ich schwach ein Tor erkennen. Es war riesig. Ein Licht bewegte sich auf dieses Tor zu. Zunächst konnte ich es nicht klar erkennen, aber als es näher kam, sah ich es besser. Es sah aus wie der Mond am Nachthimmel. Es war extrem hell, aber nicht so, dass es mir in den Augen wehgetan hätte. Dann wurde das Licht allmählich schwächer und kleiner, und ein Engel kam durch das Tor auf mich zu. Für einen Sekundenbruchteil hatte ich geglaubt, der Mond käme mir entgegen … Die Augen dieses Engels waren riesig – groß, hell und strahlend. Untertassen voller Liebe und Verständnis. Ich war ganz fasziniert von seinen Augen und seinem Gesicht. Ich stand auf und streckte meinen Arm aus, um sein Gesicht zu berühren. Aber ich konnte es nicht erreichen, denn der Engel war riesengroß. Sein strahlendes Lächeln wurde noch strahlender.
Da stand ich nun und schaute zu ihm auf. Dieser Engel brachte mich doch ein wenig durcheinander. Er war größer als alle anderen Engel, die ich bisher gesehen hatte, und ich konnte ihn auch nicht klar erkennen, denn sein menschlicher Aspekt war sehr schwach. Er sprach mit leiser und sanfter Stimme. »Ich bin der Engel Gabriel, Lorna. Setz dich wieder auf deine Holzkiste, dann setze ich mich neben dich.« Ich tat, wie er mich geheißen hatte. Er setzte sich neben mich auf eine zweite Holzkiste und nahm eine etwas menschlichere Gestalt und Größe an. Jetzt sah er aus wie ein Arbeiter in einer schweren Jacke und Hose. Heute würde ich wohl sagen, er wirkte wie ein Motorradfahrer. Er sah nun also menschlicher aus als zuvor, aber sein Gesicht und seine Augen strahlten immer noch auf eine ganz außergewöhnliche Weise.
»Ist es so besser, Lorna?«, fragte er.
»Ja«, erwiderte ich, »aber ich kann dich in dem Licht kaum sehen.« Er sagte nichts weiter dazu. Stattdessen tat er etwas, das Engel fast nie tun. Er griff nach meiner Puppe. Engel agieren nur sehr selten auf eine physische Weise.
Ich liebte diese Puppe. Sie hieß Lena und bestand aus Gummi. Sie hatte schwarzes aufgemaltes Haar und einen Pferdeschwanz aus Plastik. Gabriel sah Lena ein paar Minuten bewundernd an, dann gab er sie mir zurück und sagte: »Hab keine Angst, Lorna.«
»Ich hab keine Angst«, sagte ich, und Gabriels Gesicht und Augen strahlten noch intensiver.
»Du wirst mich immer in einem Tor aus Licht sehen«, sagte er, »daran erkennst du, dass ich es bin.« Dann fuhr er fort: »Ich möchte dir etwas über die leuchtenden Babys erzählen, damit auch du sie erkennst, wenn du sie in Zukunft einmal siehst. Leuchtende Babys sind etwas ganz Besonderes. Die Seelen dieser Babys wird die Welt nie kontaminieren können.«
»Was bedeutet ›kontaminieren‹?«, fragte ich den Engel Gabriel. Schließlich war ich erst fünf.
Gabriel brach in schallendes Gelächter aus. Noch nie hatte ich einen Engel so lachen sehen, und ich musste einfach mitlachen. Beim Lachen schien Gabriel blitzschnell zwischen seiner menschlichen und seiner engelhaften Erscheinung hin- und herzuwechseln. Er hatte ein so herzliches Lachen. Alles um uns herum schien mit seinem Lachen mitzuschwingen. Das machte mich glücklich.
Als Gabriel aufhörte zu lachen, schien die Zeit für einen Sekundenbruchteil stillzustehen. Dann griff er wieder nach meiner Puppe Lena und hielt sie in die Höhe.
»Wenn deine Puppe in etwas Öl fallen würde, dann wäre sie kontaminiert, weil der Gummi, aus dem sie gemacht ist, das Öl aufsaugen würde«, erklärte
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