Himmelsschatten
noch am Leben sind, ist ein Indiz dafür, dass wir Neuland be-
treten. Bitte teilen Sie SÄMTLICHE IDEEN UND
INFORMATIONEN Mariah mit.«
NASA: MISSION OPERATIONS DIRECTORATE, STAY-2-SCHICHT STATUS, 23. August 2019
»Kannst du ihn schon sehen?«
Zachary Stewarts bunt zusammengewürfeltes fünfköpfiges Team – eine andere Bezeichnung fiel ihm in seinem erschöpften Zustand nicht ein – hatte mehrere Hundert Yards im Innern Keanus zurückgelegt und drang immer tiefer in die Kaverne ein. Sie hätten sich dem Tempel bereits nähern müssen.
»Nein«, antwortete Megan. Sie ging voraus, und Zack fragte sich, ob sie irgendeiner Erinnerung folgte – oder einfach nur Megan war, die Frau, die Landkarten liebte und nur zu gern die Richtung angab. »Wenn das, was Tea und Taj sagten, stimmt, dann müssen wir noch mindestens hundert Meter weit laufen.«
Zack bedauerte es, dass Taj und Tea jetzt nicht bei ihm waren, immerhin hätten sie als Kavallerie-Scout fungieren können. Mittlerweile wünschte er sich auch, sie hätten die Anzüge und Helme nicht am Lagerplatz zurückgelassen, auch wenn sie die Sachen als totes Gewicht hätten mitschleppen müssen. Taj hatte es geschafft, mit seinem Zeiss -Funkgerät den Fels und die Membran zu durchdringen, doch obwohl Houston theoretisch erreichbar war, musste Zack immer noch imstande sein, ein Signal an die Venture zu schicken; aber das würde ihm erst gelingen, wenn er sich wieder auf der anderen Seite der Membran befand.
Nein, unter den gegebenen Umständen hatte er sich für den bestmöglichen Plan entschieden. Und sich mit beiden Frauen, Megan und Tea, zu beschäftigen, überstieg momentan seine Kräfte. Es würde ohnehin nicht mehr lange dauern, bis sie alle zusammen wieder zur Membran zurückkehrten …
Für einen kurzen Augenblick erloschen die Glühwürmchen, als hätte jemand den Stecker gezogen.
Jäh blieb Natalia stehen. »Was war das?«
»Der Einbruch der Nacht?«, überlegte Lucas laut.
Zack war sich nicht sicher, ob die vorübergehende Dunkelheit überhaupt etwas zu bedeuten hatte, doch dann erhob sich eine sanfte Brise, die böig auffrischte.
Mehr aus Gewohnheit denn aus einem anderen Impuls blickte er Megan an, die reglos dastand; ihr Gesicht hatte sie von ihm abgewandt, die Augen geschlossen, den Kopf gesenkt.
Camilla hatte dieselbe Haltung angenommen.
»Megan«, sagte er.
Megan erschauerte und öffnete die Augen. »Oh, Scheiße!«
Der Wind nahm an Stärke zu. Das dichte Laubwerk, das sie überall umgab, schwankte unter den Böen. Es war wie bei einem aufziehenden Tropensturm von der Art, die alle paar Jahre über Houston hinwegfegten.
Auf einmal roch sogar die Luft anders … sie war überfrachtet mit Feuchtigkeit und ließ sich nur schwer einatmen.
»Was geht hier vor?«, fragte er.
»Irgendetwas Schreckliches ist geschehen.«
»Was denn?«
»Es passierte auf der Oberfläche.« Megan presste sich die Finger an die Schläfen, als versuche sie, ein undeutliches Signal besser einzustellen. Unvermittelt ließ sie die Hände wieder sinken und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Habt ihr eine Bombe mitgebracht?«
»Wovon sprichst du?«
»Es ist so verdammt unheimlich … als … als würde man ein altes Fotoalbum der Familie aufschlagen und erinnert sich plötzlich an einen Onkel.« Sie zeigte auf die Glühwürmchen, dann auf die schaukelnden, vom Wind gepeitschten Bäume. »Einen Moment lang ging das Licht aus, und in dieser Sekunde wusste ich, dass etwas detoniert war. Etwas, das ihr mitgebracht habt.«
Camilla krallte sich an Lucas und plapperte in Portugiesisch auf ihn ein.
»Das Mädchen weiß es auch?«, fragte Zack.
Lucas hielt die Kleine im Arm, hörte ihr eine Weile zu und antwortete: »Ja. Es muss eine Katastrophe gegeben haben. Camilla hat große Angst.«
Zack wandte sich an Megan. »Ich habe keine Bombe mitgebracht.« Noch während er sprach, fielen ihm auf Anhieb gleich zwei Möglichkeiten ein. Erstens, die Brahma war mit einer Waffe bestückt gewesen. Zweitens, die Waffe hatte sich in der Venture befunden … allerdings ohne Wissen des Kommandanten.
In der Nähe erklang ein Geräusch, ein tiefer, gutturaler Ton. Wie ein Riese, der sich räuspert , dachte Zack.
Die anderen hörten es auch. »Zack, was sollen wir tun?«, rief Natalia.
»Zuerst einmal zeichnen wir alles auf«, erwiderte er und wunderte sich, wie müde seine eigene Stimme klang. Er sah Lucas an, der seine Kamera schon bereithielt. Dann richtete er das Wort an
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