Himmelsschatten
Ähnlichkeit mit dem großen, runden Mondshuttle, der in diesem Kubrick/Clarke-Film an der Clavius-Station landet.
»Noch fünfzig Meter, glaub ich«, sagte Pogo.
Dann verschwand die Brahma in einer weißen Wolke.
»Was zum Teufel war das?«, wunderte sich Yvonne.
Zack klopfte mit der flachen Hand auf den Ärmel ihres Anzugs. »Sei still und schau zu.«
Durch den Nebel – der sich langsam hob wie morgendliche Dunstschleier an einer Küste – sah Zack, dass die Brahma in die Höhe hüpfte wie die Venture … aber nur wenige Meter.
Das verfluchte Raumschiff fing tatsächlich an zu rotieren und gewährte so den Destiny -Astronauten einen Blick auf eine Trosse, die von dem Raketenrohr an der Seite der Brahma bis in die Oberfläche des NEO s hineinreichte. Das gigantische Vehikel von der Größe eines sechsstöckigen Hauses schüttelte sich wie ein verletzter Wal … und sank dann sachte nach unten.
Zack prustete los. »Ich kann es nicht fassen. Sie haben Keanu harpuniert!« Als er merkte, dass keiner von seiner Crew ihn verstand, erklärte er: »Von diesem Rohr aus haben sie einen Anker abgeschossen. Das Ding ist kein Raketenwerfer, sondern eine Vorrichtung, die verhindert, dass sie über die Oberfläche hopsen wie wir.«
»Du meinst, sie haben sich rangewinscht?«, vergewisserte sich Tea, sichtlich beeindruckt. Sie war die Einzige aus der Crew mit Segelerfahrung.
»Bingo!«, bestätigte Zack. »So wie ein Segelschiff.«
»Na ja«, warf Pogo ein und wandte sich an Zack. »So wie ich das sehe, bist du nicht der Einzige, der die Hornblower-Romane gelesen hat.«
5
»Die Besatzung des Raumschiffs Brahma bereitet sich auf die Erforschung des Near-Earth-Objekts Keanu vor, ein Ereignis von historischer Tragweite. Es werden weiterhin Daten empfangen über das Deep Space Network in Byalalu unweit Bangalore.
Wir möchten daran erinnern, dass die Brahma am 18. August 2019 vom Kourou Space Center der European Space Agency gestartet ist.«
PRESSEMITTEILUNG DER INDIAN SPACE RESEARCH
ORGANIZATION am 22. August 2019
»Ja, ich halte mich bereit.«
Lucas Munaretto wurde es allmählich leid, immer denselben Satz zu wiederholen. In den vier Tagen, seit die Brahma von Kourou aus gestartet war, hatte er über den Luft-Boden-Link kaum etwas anderes sagen können.
Das Problem lag bei der Mission Control in Bangalore, wo selbst die simpelste Frage eine Reihe von langatmigen Beratungen auslöste. Während der monatelangen Missionssimulationen war Lucas dieses Zögern aufgefallen, er hatte es aber auf den Lernprozess zurückgeführt (Bangalore hatte noch nie eine derart komplexe Mission geleitet). Außerdem hatte Tajs internationale Crew oftmals viel zu langsam gearbeitet.
Nun jedoch, während Lucas mit einem Druckregler an Natalia Yorkinas Raumanzug kämpfte, vergegenwärtigte er sich, dass kein Mitglied des Bodenteams – nicht einmal der Chef-Flugleiter Vikram Nayar – gewillt zu sein schienen, irgendeine Form von Autorität auszuüben. Jetzt, da die Augen der Welt auf sie gerichtet waren und ihre vierköpfige Astronautencrew soeben auf Keanu gelandet war, verhielten sie sich wie Schauspieler, die erstarrten, sobald die Scheinwerfer angingen.
Von seinem Aufenthalt in der Internationalen Raumstation her wusste Lucas, dass die NASA anders vorging. Ihre Verbindungssprecher waren entweder Astronauten oder gehörten dem Trainingsteam an, und sie arbeiteten mit den Flugleitern der jeweiligen Schicht zusammen. Routineentscheidungen traf man sofort. Notfälle erforderten selbstverständlich eine Beratung, doch selbst dann noch klang die Stimme in der Leitung forsch, professionell und informiert.
Doch das kennzeichnete die unterschiedlichen Vorge hensweisen: Bangalore orientierte sich nach der russischen Methode, die vorsah, dass die Aktionen der Kos monauten strikt vom Boden aus kontrolliert wurden. Die NASA war flexibler und handelte nach dem Prinzip, dass ein gut trainierter Astronaut imstande war, jede Situa tion zu meistern.
Anscheinend setzte Bangalore wenig Vertrauen in seine Crew. Eine Schande, denn immerhin gehörte ihr »Der Größte Astronaut der Welt« an.
Lucas Munaretto liebte diesen Titel, der ihm vor mehreren Jahren verliehen worden war, während seiner einzigen Raumfahrtmission; er war der erste brasilianische Astronaut, der zur ISS flog.
Im Zuge eines EVA s war Lucas’ Partner, ein japanischer Astronaut, für kurze Zeit von der Außenhülle der Station getrennt worden. Bei Weltraumeinsätzen waren die
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