Himmelsschatten

einen Menschen in dessen sicheren Tod schicken würde.
    Die EVA -Vorbereitungen für die Crew der Brahma waren einfach; Ladebuchten in der Abstiegsstufe öffnen und Kisten rausziehen. Nach fünfzehn Minuten langweilte sich Pogo.
    Außerdem wurde er abgelenkt durch das Gespräch zwischen Zack und Taj, die klugerweise entschieden hatten, auf eine allgemeine Frequenz zu gehen, sodass keine Verzögerungen durch ihre jeweiligen Mission Controls entstanden. Als Erstes schnappte Pogo auf, dass Taj ein Problem mit dem Kommando-und-Kontroll-System hatte. Am liebsten hätte er das der Venture frohlockend mitgeteilt – »Hey, sogar dieser Kerl aus Indien muss sich an Bangalore wenden, damit sie ihm bei einem Computerproblem helfen!« –, aber er beherrschte sich.
    Besonders nachdem er gleich darauf erfuhr, dass die Eruptionen auf Keanu tatsächlich von so etwas wie Bremsraketen herrührten … eine Nachricht, die Witze auf Tajs Kosten zu trivial erscheinen ließ.
    Als Junge hatte Pogo Downey immer geglaubt, dass UFO s Raumschiffe von Außerirdischen seien, dass die Regierung irgendwas verheimlichte. Von diesen Verdächtigungen hatte er weitgehend Abschied genommen, als er dann in die Air Force Academy eintrat, wo er neue und bessere Gründe kennenlernte, um Regierungen zu misstrauen. Trotzdem glaubte er nach wie vor, dass die Menschheit im Universum nicht allein war. Deshalb fand er den Umstand, auf einem Artefakt zu stehen, das von Aliens konstruiert war, nicht übermäßig verblüffend.
    Es war sogar ziemlich cool.
    Nachdem Natalia Yorkina, das zweite Crewmitglied der Brahma mit russischer Staatsbürgerschaft, sich zu ihrem Teamkameraden Lucas auf der Oberfläche gesellt hatte, merkte Pogo, dass er überflüssig war. »Ich hau dann wieder ab. Viel Glück«, wünschte er dem Koalitionsteam.
    »Glück werden wir alle brauchen«, erwiderte Natalia.
    Als Pogo die Venture erreichte, stand Zack wieder auf der Oberfläche und traf bereits Vorbereitungen, den Rover betriebsbereit zu machen. »Den Buzz mobilisieren« hatten die Trainingsteams dieses Prozedere genannt.
    Seit Jahren hatte sich die NASA die blöde Angewohnheit zu eigen gemacht, Ausrüstungsteile mit persönlichen Namen zu belegen. Die Agency hatte sogar einen gottverdammten Wettbewerb ins Leben gerufen, um einen Namen für den Rover zu finden, der bei der dritten Mondlandung benutzt werden sollte, und »Buzz« hatte gesiegt … nach dem zweiten Astronauten, der die Oberfläche des Mondes betrat.
    Nun, wo immer Buzz Aldrin jetzt sein mochte, ganz sicher würde er triumphieren, denn während die Rover Neil und Gene dazu bestimmt waren, über den hässlichen, asbestähnlichen Mondboden zu rollen, war Buzz das erste Vehikel, das auf einer völlig neuen Welt zum Einsatz kam.
    Oder auf einem Sternenschiff. Das sollte man vielleicht nicht vergessen.
    Der Venture -Lander war achtzehn Meter hoch, und bei der in einem niedrigen Winkel stehenden Sonne warf er einen dreimal so langen Schatten. In diesem Schatten zog Zack an der Schnur, die ein komplettes Fünftel der Landestufe der Venture öffnete … Buzz rutschte heraus, kippte, und fing an, sich selbsttätig aufzuklappen.
    Während des Trainings auf der Erde hatte dieser Vorgang unter reichlicher Lärmentfaltung stattgefunden und erinnerte Pogo an das Rasseln und Knirschen einer alten Achterbahn, deren Wagen zum höchsten Punkt gezogen wurden.
    Aber hier, im verschneiten Vakuum, gab es keine Geräusche. Mit einer eigenartigen, majestätischen Langsamkeit nahmen Buzz ’ Räder die korrekte Stellung ein, die Kabine blies sich zu ihrer vollen Größe auf, und die goldene Mylar-Antenne entfaltete sich. In nur einhundertzwanzig Sekunden war das spinnenartige Vehikel einsatzfähig. »Hier sieht es viel größer aus«, fand Pogo. In den Hangars in Huntsville, umgeben von verschiedenen Modellen von Landern und Rover-Nachbildungen, hatte Buzz ein bisschen traurig und mickerig gewirkt. Nicht so auf Keanu.
    »Groß genug.« Zack machte einen zerstreuten Eindruck, was verständlich war. Er leitete nicht nur einen ehrgeizigen Weltraumflug, sondern musste auch noch erleben, wie seine Mission in einen wahrhaft legendären Einsatz umgewandelt wurde – die erste Erforschung eines außerirdischen Artefakts.
    Auf so etwas konnte man sich nicht vorbereiten.
    Pogo half ihm, weitere Ausrüstung aus dem Stauraum der Venture an Buzz’ Rahmen zu montieren; zusätzliche Sauerstofftanks, das wissenschaftliche Equipment, neue Kameras, Verkabelungen.