Himmelsschatten
Zack. Sie hatte kostbare Minuten von Sauerstoff verloren, aber sie hatte sich durch ihre unbedachte Tat nicht selbst umgebracht.
Doch der Hustenanfall legte sich wieder. Dann sagte Natalia: »Ich bin okay.«
Zack wunderte sich, dass er ihre Worte hören konnte, die leicht gedämpft durch seinen Helm drangen. Und er war überrascht, dass sie noch lebte, wobei sie sich in besserer Verfassung befand als in dem versiegelten Raumanzug.
»Hier gibt es Sauerstoff«, erklärte sie. »Hab ich auf meinem Spektrometer gesehen. Der Anteil ist hoch, vielleicht dreißig Prozent … aber der Druck ist immer noch niedrig.« Abermals atmete sie tief durch. »Es ist ein Gefühl, als stünde man auf einem Berggipfel. Die Luft ist trocken. Sie enthält viele Gerüche, die ich nicht identifizieren kann.«
»Werde nicht zu sorglos«, riet er. Er war erleichtert, dass die Bedingungen im Innern Keanus nicht so lebensfeindlich waren wie der Weltraum – zumindest wenn man sich von Elementen wie dem Wächter fernhielt. »Hier könnte es fremdartige Organismen geben.«
»Noch vor wenigen Stunden herrschte hier eine Temperatur von hundert Grad minus. Bei dieser Kälte dürfte nichts am Leben geblieben sein. Und jetzt sieh dir das mal an.« Sie stapfte in die Kammer zurück und steuerte in die Richtung, in der der tote Wächter und Pogo lagen.
»Wohin willst du?« Weil Zack immer noch die Funkeinheit im Innern seines Helms benutzte, sie ihren Helm aber abgenommen hatte, konnte sie ihn kaum verstehen. Laut brüllend wiederholte er seine Frage.
Endlich verstand sie ihn; sie nickte. »Ich wollte schon immer eine Autopsie an einem Alien vornehmen.«
Zack folgte ihr nicht. Er dachte an seine eigenen Reserven, an die Wahrscheinlichkeit, dass Lucas später zu ihnen zurückkehren würde als erwartet … und allem Anschein nach schien Natalia sich wohlzufühlen.
Außerdem fiel es ihm schwer, sich mit ihr zu verständigen, solange sie ihren Helm nicht trug.
Konnte man das noch als verantwortungsvolles Handeln bezeichnen? Im Augenblick war lediglich Natalia der Umgebung Keanus ausgesetzt – und im weiteren Sinne noch die Brahma . Die Venture war immer noch in Sicherheit, und das Gleiche galt für Tea und Yvonne.
Idiot: Sämtliche Krankheitserreger, die man einatmete, sobald man den Helm absetzte, kontaminierten auch das Innere des Raumanzugs!
Außerdem stieg die Gravitation immer noch an … Zack fiel es schwer, sich zu bewegen.
Nicht dass er Lust gehabt hätte, sich weit zu entfernen. Er sah, wie Natalia langsam um den toten Wächter herumging, gelegentlich ihre Kamera hob – ohne Blitzlicht – und sich dann mit ihrem Spektrometer beschäftigte.
Zack hingegen beobachtete gespannt, was in den Zellen des Bienenstocks vor sich ging. Die Waben schwollen weiterhin an und verloren an Farbe. Manchmal glaubte er, in einigen Umrisse zu erkennen.
Das kam ihm merkwürdig vor; die Zellen besaßen genau dieselbe Färbung wie die Blase, die den Wächter ausgespien hatte.
Großer Gott, bestand vielleicht eine Verbindung zwischen dem Bienenstock und dieser Kreatur, von der sie annahmen, sie hätte so was wie eine Wächterfunktion gehabt? Zack fühlte sich hin und her gerissen. Einerseits wollte er sich unverzüglich zu Natalia begeben, gleichzeitig verspürte er eine Mischung aus Grausen und Faszination für das, was sich hier vor seinen Augen abspielte.
Verdammter Mist! Sein Anzug hinderte ihn daran, sich näher an das Geschehen heranzupirschen, um den Vorgang genauer betrachten zu können.
Nach einem letzten Blick auf Natalia, die voller Begeisterung ihrer Autopsie eines Alien nachging, setzte er den Entschluss, zu dem er sich gerade durchgerungen hatte, in die Tat um.
Wenn sich die Umgebung im Innern Keanus veränderte, um sich den menschlichen Bedürfnissen anzupassen – und dieser Gedanke drängte sich mittlerweile auf –, dann durfte er logischerweise davon ausgehen, dass sie ihm nicht schaden würde. Natalia wirkte jedenfalls gesund und munter.
Er unterbrach die Luftzufuhr in seinem Anzug, um seinen Vorrat an Atemluft für den Rückweg durch die Membran aufzusparen, dann entriegelte er den Halsverschluss an seinem Helm.
Sofort schlug ihm der Geruch von Keanu entgegen, ein Gemisch aus nassem Boden und Düften, für die er keine Namen wusste, die jedoch nicht unangenehm waren. Etwas wuchs hier – mit einer ungeheuer beschleunigten Inkubationsperiode.
Er sog tief den Atem ein, und fand die Luft tatsächlich erfrischend. »Hey«, rief er
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