Himmelsschatten
mit den Händen – die nun komplett ausgeformt waren – befreite es sich von dem bräunlichen Belag.
Darunter kam ein rosiges Gesicht zum Vorschein, die Haut so zart wie die eines neugeborenen Babys.
Die braunen, wieder weit aufgerissenen Augen blinzelten verwirrt und ängstlich.
Er sah den Mund, weiße Zähne, eine Zunge.
Das Megan-Ding hustete und keuchte, aber nicht so wie ein Asthmatiker, der an Luftnot leidet, sondern eher wie ein neugeborenes Kind nach dem ersten Klaps.
Dann blickte dieses Ding – Megan – ihn direkt an. »Zack«, sagte sie. Es war eindeutig Megans Stimme.
Zack löste seine Handschuhe von dem Anzug, ließ sie fallen und begann an der zweiten Haut zu zerren, die das Ding immer noch mit der Zelle verband.
Sie fühlte sich warm an. Trotz der kurzen Haare, und obwohl sie sich wand und krümmte, kam sie ihm unglaublich … vertraut vor.
Zack befreite sie aus der Wabe. In der geringen Schwerkraft setzten sich beide in den schleimigen Matsch von Keanu; das Megan-Ding, das größtenteils immer noch in die zweite Haut eingehüllt war, ruhte dabei auf Zacks Schoß.
Unvermittelt schlug das Megan-Ding wild um sich, wie ein Ertrinkender in Panik … und es fing an zu schreien.
3
»Ich kann nicht konkreter werden, weil ich dann das
Risiko einginge, dass man mich feuert. Aber da oben passiert ein SEHR SELTSAMER MIST ! «
GEPOSTET VON JSC-TYP
auf NEOMISSION.COM
»Wie ist die Lage, Venture ?«
»Ich halte die Stellung, Houston«, lautete Tea Nowinskis Erwiderung beim fünften Anlauf. Die ersten vier Male war sie versucht gewesen zu sagen: Was zum Teufel glaubt ihr wohl, was ich hier mache? Tatsächlich hatte sie in Angriff genommen, die Toilette zu benutzen, eine Prozedur, die aus gutem Grund von allen Astronauten gefürchtet wurde. Yvonne schlief unter dem Einfluss eines Sedativums tief und fest, die Kom-Links schwiegen, und Tea hatte sich ausgerechnet, sie hätte eine Viertelstunde Zeit, um sich in die widerliche kleine Kammer hinter dem Vorhang zu begeben …
Sie hatte beinahe diese für die Mission kritische Phase beendet, als Houston sich meldete.
Trotz ihrer Höhe kam Tea die Kabine der Venture nun beengt und vollgestopft vor. Vielleicht lag das an Yvonnes Hängematte, die um diese Tageszeit normalerweise in einem Fach verstaut gewesen wäre. Das Funkgerät zischte und knisterte pausenlos. Man hörte die Geräusche von Pumpen und Motoren.
Hier war es alles andere als komfortabel, aber immer noch bequemer – und vor allen Dingen sicherer – als in dem Rover Buzz oder in einem EVA -Anzug.
Nichtsdestoweniger wurde Tea allmählich nervös. Aber es widersprach dem Ehrenkodex der Astronauten, Emotionen zu zeigen, mit Ausnahme der mitunter leichtsinnigen Übungen, die sie sich nicht verkneifen konnten, wenn es darum ging, die Wunder der Schwerelosigkeit zu demonstrieren. Und Jasmine Trieu, der neue CapCom, war viel zu nett, um sie mit bissigen Bemerkungen zu ärgern.
Die Zeitdauer der Mission betrug mittlerweile vierund neunzig Stunden; EVA plus neun der Destiny-7 -Mission auf Keanu, und in Tea machte sich ein mulmiges Gefühl breit.
Das war natürlich die halb scherzhafte Art, mit der Astronauten der Möglichkeit begegneten, dass sie im Weltall ums Leben kamen. Diese Form der Bewältigung einer tödlichen Gefahr hatten sich schon die Testpiloten zu eigen gemacht. Sie waren ständig dabei, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.
Tea war in den USA zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts groß geworden; sie war sich bewusst, dass die Menschen ständig und unausweichlich mit dem Tod konfrontiert wurden. Sie starben in irgendwelchen Hinterhalten, sie ertranken, wenn ein Schiff unterging, sie wurden von Autos überfahren, in eine Reihe gestellt und von einem Exekutionskommando erschossen, sie kamen bei Feuersbrünsten ums Leben, sie erstickten, wenn in einem Bergwerk ein Stollen einstürzte …
Aber wie die meisten Bürger eines reichen Industrielandes war sie vierzig Jahre alt geworden, ohne jemals in echter Lebensgefahr zu sein.
Abgesehen von der Tatsache, dass die Chancen, zu sterben, dramatisch anstiegen, wenn man sich in eine Rakete setzte und ins Weltall flog – die derzeitige Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls lag zwischen eins zu fünfzig und eins zu zwanzig –, hatte sich Tea lediglich ein einziges Mal in einer wirklich riskanten Situation befunden, als sie in einem Flugzeug saß, das während eines Sommersturms in Minneapolis landen wollte. Ein jäher Seitenwind
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