Himmelsschatten
hatte die 737 um vierzig Grad nach rechts gekippt, dann in einem ähnlichen Winkel in die andere Richtung … und das zweimal … ehe der Pilot Schub gab und das Abheben beendete. Hätte eine Tragfläche den Boden berührt, hätte sich die Maschine vermutlich auf der Rollbahn überschlagen; beim Aufprall auf die Piste wäre sie bestimmt zerborsten und zum Schluss gegen das Terminal geknallt. Die Passagiere wären von Metallsplittern aufgespießt oder zerquetscht worden.
Aber all das war nicht passiert. Der Augenblick, in dem sie Todesangst ausgestanden hatte, dauerte vielleicht fünf Sekunden.
Doch das Heimtückische bei Raumfahrtmissionen war, dass der Tod einen entweder sofort ereilte – Challenger, Columbia, Sojus 11 – oder überhaupt nicht. Die Wahrheit sah so aus, dass Beinahe-Katastrophen wie Apollo 13 mit der fünf Tage andauernden Zitterpartie, als drei in der als »Rettungsboot« dienenden Mondlandefähre eingezwängte Astronauten den Mond umkreisten, oder die 1997 erfolgte Kollision zwischen einem unbemannten Versorgungsraumschiff und der Raumstation Mir den Flugleitern und Crews die Zuversicht gaben, dass sie, wenn man ihnen nur genug Zeit gab, jede Situation meistern konnten.
Tea hoffte, dass sie sich augenblicklich in einer solchen Situation befand. Aber nur weil bis jetzt noch kein Astronaut langsam und qualvoll krepiert war, hieß das noch lange nicht, dass dieser Fall niemals eintreten konnte.
Man musste nur daran denken, wo sie sich befanden – geparkt auf der Außenhülle eines gigantischen Alien-Raumschiffs. Ein Crewmitglied war bereits tot! Ein zweites schwer verletzt.
Zwei weitere waren … wo? Hatten Außeridische sie gefangen genommen? Lebten sie womöglich gar nicht mehr?
Eine der vermissten Personen war der Mann, den sie liebte. Der arme Zack! So lieb, so klug, so gut aussehend! Der war die stabilste Beziehung, die Tea seit der Grundschule gehabt hatte. Bis auf die letzten zwei Monate, als ihre Destiny-7 -Mission in sein Kommando überging, hatte sie sich darauf gefreut, den nächsten Schritt mit ihm zu gehen, ihn zu heiraten. Die Zeit war reif dafür; Megans Tod lag nunmehr zwei Jahre zurück. Zack würde sie niemals vergessen, und das wollte Tea auch gar nicht. Die Tragödie hatte ihn geformt, ihn irgendwie menschlicher gemacht; seit diesem persönlichen Schicksalsschlag war er nicht mehr nur der brillante Superastronaut.
Im Übrigen schien Zacks Astronautenkarriere ohnehin vorbei zu sein. Und Tea, die zwei Mondlandungen hinter sich hatte, davon eine als Kommandantin der Mission, sah keinen Grund, noch einmal einen Weltraumflug zu riskieren.
Und nun? Lucas lud seinen Anzug mit den Vorräten des Rovers Buzz neu auf, aber wo steckten Zack und Natalia? Tea konnte den Status ihrer Verbrauchsgüter ablesen; sie befanden sich am Limit, falls die kritische Grenze nicht bereits überschritten worden war.
Und was war eigentlich mit Pogo passiert? Noch vor Kurzem hatte sich dieser große, manchmal alberne Kerl hier in der Venture aufgehalten, und auf einmal war er nichts weiter als ein Faktor in der Statistik des Raumfahrtzeitalters! Weggefegt wie durch ein Fingerschnipsen!
Getötet durch etwas, das sich im Innern von Keanu befand.
Auf einmal war sie froh, dass Houston sie bei ihrer intimen Verrichtung gestört hatte. Tea musste einfach wissen, was los war. »Also, was hab ich verpasst?«
Jasmine schien erleichtert zu sein, als sie ihre Stimme hörte. »Josh fragt Lucas, ob er Buzz durch die Membran fahren kann.«
»Warum sollte er das tun? Zack und Natalia müssen schleunigst raus aus der Kammer!« Zu ehrlich, zu emotional, aber wenn der Flugleiter mit der Brahma sprach, würde man das übersehen.
»Ich denke, damit hast du es auf den Punkt gebracht«, erwiderte der CapCom. »Vielleicht ist es den beiden nicht möglich rauszukommen. Und wenn sie den Rover nicht erreichen können, um ihre Anzüge neu aufzutanken, müssen wir Buzz zu ihnen bringen.«
»Wenn das die einzige Option ist, kann ich mich schon ein bisschen mehr damit anfreunden.«
»Flug möchte, dass du mit dem Home-Team sprichst.«
Einen Moment lang – großer Gott, sie wurde langsam müde! – war Tea sich nicht sicher, was oder wer das Home-Team war. »Selbstverständlich. Stell Harley durch.«
»Harley steht im Augenblick nicht zur Verfügung. Die nächste Stimme, die du hörst, ist die von Dr. Sasha Blaine.«
Tea hatte ein vages Bild vor Augen – Blaine war auch eine dieser hochintelligenten jungen Frauen,
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