Himmelssöhne - Das Erbe der Asaru (German Edition)

gespießt, mit eingeschlagenen Schädeldecken und zur Schau gestellt wie Trophäen des Grauens. Die Hand vor den Mund gehalten, drängte sie sich hinter Pablo und wandte ihren Blick in eine dunkle Ecke. Pablo versuchte sie zu beruhigen und fragte den Stammesältesten, was die Präsentation der Schädel zu bedeuten habe. Nachdem er eine Weile mit ihm gesprochen hatte, wandte er sich an seine Schützlinge.
    „Ihr dürft jetzt keine falschen Schlüsse ziehen, und ich möchte euch auf gar keinen Fall beunruhigen. Diese Köpfe hier, das sind die kläglichen Überreste von Plünderern, die das Vermächtnis der Anunnaki stehlen wollten. Sie wurden dabei ertappt und bekamen ihre gerechte Strafe, wie mir der alte Mann sagte. Sie wurden sofort getötet, ihre Körper überließ man den Tieren des Dschungels. Die Schädel sollen alle abschrecken, die es wagen sollten, den gleichen Fehler zu begehen. Mehrere dieser Eindringlinge konnten mit den Tafeln aus dem Schrein am Dorfplatz fliehen, sonst wäre es ihnen genauso ergangen. Nur den Auserwählten sei es gestattet, das Vermächtnis an sich zu nehmen.“
    Zusammen gingen sie zur Mitte des Raumes und erblickten einen ähnlichen Schrein, wie er sich auch auf dem Festplatz des Dorfes befand. Allerdings war dieser hier viel größer, stand auf drei runden Sockeln und war ebenfalls mit zahlreichen Orchideen geschmückt. Zwei wuchtige Pranken aus massivem Stein umklammerten die Lade an den beiden oberen Stirnseiten. Die Nachbildungen seltsamer Hände mit jeweils sechs Fingern erweckten den Eindruck, als ob sie den massigen Deckel geschlossen halten würden. Nicht weit oberhalb dieses Artefakts aus grauer Vorzeit erblickten sie eine eigenartige Apparatur. An einem glänzenden Seil, das von der obersten Spitze des Raumes herunterhing, war ein langer Stab befestigt, an dessen einem Ende ein oval geschliffener Stein, am anderen ein Kristall befestigt war.
    Der gelblich schimmernde Quarz zeigte, leicht nach unten geneigt, in westliche Richtung. Grace streckte sich nach oben und gab dem Gebilde einen sanften Schubs. Der Stab drehte sich kurz zur Seite, wippte etwas und richtete sich schließlich wieder nach derselben Position aus, die er zuvor einnahm. Einem imaginären Ziel entgegen, dass sich bisher allen Beobachtungsversuchen entzog. Grace war erstaunt über die Funktionsweise dieser augenscheinlich primitiven Vorrichtung.
    „Das muss dieses Pendel sein, von dem der Mann gesprochen hat. Eine Art Kompass. Es zeigt exakt in die Richtung des Himmelskörpers. Unglaublich!“
    Direkt am Schwerpunkt, etwa in der Mitte unterhalb des Stabes, hing ein Gefäß aus Ton. Willy ließ sich von Jack hochheben und lugte neugierig hinein. Es war leer.
    „Was hat das für eine Bedeutung?“, fragte er Pablo.
    Dieser unterhielt sich kurz mit dem Stammesältesten und gab die Informationen umgehend weiter.
    „Das ist das Gefäß der Zeit , welches er gestern schon erwähnt hat. Ihre Götter hatten es damals prall gefüllt aufgehängt. Jedes Jahr bei Wintersonnenwende wurde eine Kugel entfernt. In diesem Jahr, als die letzte herausgenommen wurde, war endlich die Zeit gekommen, nach den Auserwählten Ausschau zu halten.“

    Willy hakte nach: „Fragen Sie ihn bitte noch, wo sie diese Kugeln hingebracht haben!“
    Nach kurzer Absprache zeigte ihnen der alte Mann ein weiteres Gefäß, das nicht weit von ihnen in einer Nische der schrägen Mauer eingelassen war. Unter Einsatz seiner ganzen Kräfte wuchtete er es heraus und stellte es vor Pablo ab. Es enthielt unzählige, schwarze Kugeln. Mit ihrem Glanz erinnerten sie Pablo an Murmeln, mit denen er in seiner Kindheit gespielt hatte.
    „Wie viele das wohl sind?“, fragte er Willy. „Möchten Sie sie zählen?“
    „Das würde jetzt zu lange dauern, aber ich habe eine Idee.“
    Er nahm die Feldflasche von seinem Gürtel und zog den aufgesteckten Becher ab. Dann befüllte er ihn mit so vielen von den Kugeln, bis sie eben mit der Oberkante abschlossen.
    Jetzt begann er zu zählen.
    „Das wird ja wohl eine Weile dauern“, sagte Jack und kümmerte sich wieder um das Pendel. Er ging zum unteren Ende des Stabes. „Was ist das für ein Material? Sieht aus wie ein Kristall oder Edelstein.“
    „Das kann ich ihnen leider nicht sagen“, antwortete Pablo. „So einen habe ich noch nie gesehen. Das müsste ein Geologe untersuchen. Aber viel wichtiger ist jetzt der Inhalt dieses Schreins.“
    Pablo bat um die Fackel und bückte sich, um die Seitenwände der Lade