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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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verdankte er den beherzten Schlägen auf die Schädel der Tiere.
    Die Bisswunden infizierten sich indes so sehr, dass man Urban das Bein noch im Feldlazarett entfernte, ihm zwei Krücken in die Hände drückte und ihn nach Hause schickte. Nach Kriegsende organisierte der Kraxnerbauer kraft seines Geschicks zügig eine ordentliche Holzprothese aus Erlenholz. Mit dieser und mithilfe eines Stockes lernte er so geschickt laufen, dass er fast mühelos jeden Berg erklimmen und auch auf der steilsten Bergmahd die Sense schwingen konnte.
     
    Urban war trotz seines Holzbeins und seiner 60 Jahre zwar immer noch der Schützenkönig des Tals, jedoch lagen seine besten Jahre weit hinter ihm, denn als diese galten jene Zeiten, in denen er besitzen konnte, was er wollte. Alles und jedes, vor allem jede Frau. Seine Freude an der Weiblichkeit blieb keinem verborgen, auch nicht seiner Gattin, die ihn einst geheiratet hatte, nachdem Urban ihr auf Knien versprochen hatte, die Sterne vom Himmel nach Fuchsbichl zu holen. Doch bereits nach dem ersten Ehejahr rückten sie weit in die Ferne, bis das Universum sie verschluckte, und die Hoffnung erlosch. Kurz vor ihrem letzten Atemzug hatte sie Urban ins Ohr gehaucht. »Die Sterne, die hast mir net ’bracht. Und deswegen geh ich jetzt zu ihnen.«
    In Fuchsbichl fürchtete man des Bauers Jähzorn. Urbans Knechte und Mägde hatten ein schweres Leben. Waren die Kühe nicht sauber genug gestriegelt, der Misthaufen nicht ordentlich gestapelt oder klebten Spinnweben an den Wänden, hörte man Urban schreien, und die Felswände trugen den Hall seiner harten Worte bis hinunter zum Haus vom Kneisl.
    Die Knechte konnten nicht recht, wie Urban wollte. Der eine hatte im Krieg sein linkes Auge verloren, den anderen plagten nachts die Träume der Schlachtfelder so sehr, dass er des Tages mit schweren Schritten und gebeugter Haltung über den Hof mehr schlurfte als ging. Die beiden Mägde waren auch nicht besser, die junge Josefa war zwar fleißig, dafür mürrisch und hatte niemals ein Lächeln im Gesicht. Urban fand, sie war hässlich anzusehen, mit ihrem dünnen Zopf, den grauen Augen und der verformten Nase. Außerdem roch sie so streng, dass man ihre Gegenwart sogar im Schweinestall riechen konnte. »Wasch dich, Weib!«, schimpfte sie der Urban, wenn es gar nicht mehr auszuhalten war, »sogar mein Vieh graust sich vor dir.« »Puhh, wann denn, wenn so viel zu tun ist auf dem Hof bei dir«, erwiderte Josefa dann verdrießlich. Mehr als ein Mal hatte Urban sie daraufhin in das eiskalte Brunnenwasser geworfen und sie mitsamt ihren Kleidern so lange untergetaucht, bis sie Besserung schwor.
    Die ältere Magd hieß Maria und arbeitete seit ihrem 14. Lebensjahr auf dem Kraxnerhof. Inzwischen war sie zahnlos und auf einem Auge erblindet. Darüber hinaus plagte sie die Gicht. Im Lauf ihrer Dienstjahre hatte sie viele Menschen kommen und gehen sehen. Gekommen waren fleißige Mägde und arbeitswillige Knechte, gegangen waren gedemütigte Sennerinnen und geknechtete Hüteburschen. Maria hatte auch Urban kommen sehen, denn sie war bei dessen Geburt zugegen. Sie hat ihn wachsen und gedeihen gesehen, und nun fragte sie sich, wie lange das alles auf dem Hof bei Urbans Jähzorn noch gut gehen würde.
    Der Kraxnerbauer tat alles, um seinen Reichtum zu vermehren. Besonderes Augenmerk galt seit einiger Zeit dem Hof des Oswin, so heruntergewirtschaftet das Gebäude inzwischen auch war. Urban könnte dort sein Gesinde und ein paar Grauviecher unterbringen, sobald der Alte nicht mehr sein würde. Außerdem besäße er dann, würde er ein paar Schillinge hineinstecken, ein gutes Austragshäusel, wenn er den Kraxnerhof einmal an den Schwiegersohn übergeben musste. Doch das hatte Zeit. Jedes Jahr stattete er dem Oswin anlässlich dessen Geburtstages einen Besuch ab, stellte ihm den besten Schnaps des Tals und ein Säcklein Schnupftabak auf den Tisch und sagte: »Oswin, alter Freund, trink mit mir ein Glasl. Wieder ein Jahr um. Hast es dir überlegt? 300 000 Schilling tät ich dir gebn, was meinst? Könntest dir ein schönes Leben drunten im Tal machen. Mit schönen Frauen.« Seine Hände beschrieben in der Luft ein paar üppige Kurven. »Weißt schon, so!« Dann klatschte er dem Alten auf den Buckel. »Sag an! Auf die alten Tage, so junges Fleisch, wär das nichts? Ha, Oswin?« Jedes Mal schüttelte Oswin dann den Kopf. »Geh, lass mir meinen Hof.«
     
    Urban hatte eine Tochter namens Agnes. Sie galt als die schönste Frau

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