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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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Welt nicht mehr. Warum nur sprach seine Tochter kein Wort mehr mit ihm?
    War’s die Sorge um den kranken Buben, warn’s die Prügel? Warn’s die Hunde? Aber all das waren doch keine Gründe, sagte er sich. Dann schenkte er sich ein weiteres Glas ein und stürzte es hinunter. Sei’s drum, dachte er, schloss die Augen und überließ sich schöneren Gedanken, den früheren, als es noch die Bäuerin gab und die Welt im Lot war.
    Am nächsten Tag war der Spuk vorbei. Tobi lag noch im Bett, still, die Augen im fernen Irgendwo zwar, jedoch nicht mehr fiebrig.
    Urban, mit entschlossener Miene, Agnes, erschöpft und bleich, und Vinzenz, unsichtbar, saßen gerade in der Küche und löffelten schweigsam ihre Suppe, da klopfte es zaghaft an die Tür.
    Es war Cilli. »Was willst, Fenderin?«, fragte Urban unwirsch. Cilli zog einen Zettel aus der Schürze und reichte ihn dem Kraxnerbauern.
    »Was gibt’s so Wichtiges? Blöd, wenn man net redn kann, ha?«, sagte er.
    Mit gönnerhafter Geste nahm er den Zettel, stierte auf die Worte und hob die buschigen Augenbrauen.
    »Verschwind aus meiner Küche, raus, aber schnell«, herrschte er dann die Taubstumme an, die nicht hörte, jedoch sah, welche Wut den Kraxner erfüllt hatte. Leise schloss sie die Tür hinter sich, nachdem sie einen kurzen Blick zu Agnes geschickt hatte. Doch diese starrte nur auf den Tisch, die Hände gefaltet und schwieg, denn noch immer wollte sie kein Wort in Gegenwart ihres Vaters tun. Sie war so still wie Vinzenz, dessen leere Augen sich in sein Inneres verzogen hatten. Der alte Kraxner erhob sich und marschierte mit schweren Schritten vom Küchentisch zum Herd, öffnete die Feuerluke und warf Cillis Zettel in die heiße Asche. Dann setzte er sich wieder, hieb die Faust auf den Tisch, dass Vinzenz schier der Löffel aus der Hand fiel und Agnes sich bekreuzigte und sagte: »Was erlaubt die sich, die Taube?« Wüst schimpfend erhob er sich und stapfte hinaus.
    »Vinzenz«, flüsterte Agnes. »Schau amal nach, was auf dem Zettel steht, schnell!«, und fuhr mit ihrer Hand über die seine. Der erhob sich matt und schlurfte zum Herd.
    »Grad noch«, sagte er, nachdem er das angekohlte Stück aus der Asche gefischt hatte.
    Auf dem Zettel mit angeschwärztem Rand, belegt mit einem grauen Aschehauch, stand in Cillis feiner Schrift geschrieben:
    Urban, der Herrgott richtet übers Leben und nicht du. Gesehn hat er, was du getan hast. Draußen vor der Tür hat er seinen Willen geschickt, sieh nach.
    »Mein Gott, Vinzenz, was soll das sein?«, fragte Agnes mit zittriger Stimme.
    »San doch alle verrückt hier, im Ort«, antwortete der knapp und tauchte den Löffel in die Suppe.
    Da flog die Tür auf, mit solch einer Wucht, dass sie gegen die Wand schlug.
    »Ich warn euch alle und sag euch: Wehe, des Teufels Vieh kommt mir zu nahe. Ich werd’s erschlagn, mit bloßen Händ. Dann die Haut abziehen und den Schweinen zum Fraß vorwerfen. Ich warn euch alle!«, schrie Urban und schleuderte ein kleines fiependes Bündel quer durch die Küche, direkt vor Agnes’ Füße.
    Wurzl.
    Drei Jahre war alles gut gegangen mit Wurzl. Der kleine Hund war schlau und mied den Kraxner, soweit dies möglich war. Er duckte sich, wenn der Bauer vorbeikam, und schlich aus der Stube, wenn der Alte die Schnapsflasche aus der Vitrine holte. Drohte Gefahr, versteckte er sich hinter dem Holzhaufen im Stall oder kroch in die hinterste Ecke unter der Ofenbank, eine Stelle, die für einen Holzbeinträger unerreichbar war.
    Die Wurzljahre waren für Tobi die schönsten Jahre seiner Kindheit. Er erkundete mit dem Tier die verstecktesten Stellen der Fuchsbichler Wälder, er tollte mit ihm über die Almwiesen, und hüteten sie die Kühe, erzählte er Wurzl Geschichten von den Geistern, die auf dem Berg tanzten. Morgens, bevor er den Schulweg antrat, füllte er den Hundenapf mit Quark, mittags, wenn er zurückgekehrt war, stahl er für seinen Hund heimlich ein Stück Fleisch oder Speck aus der Kammer, abends bürstete er das Fell, bis es weich und glänzend war wie Seide. Weil Wurzl so schlau war, lehrte Tobi ihn das Umkreisen der Schafe, das Eintreiben der Hennen und das Sammeln großer Stöcke und Prügel fürs Einfeuern. Die schleppte Wurzl aus dem Wald mit hoch erhobenem Kopf und wedelndem Schwanz. Und bevor er sie Agnes in der Küche vor die Füße legte, nagte er kräftig an ihnen herum, als wolle er damit zum Ausdruck bringen: Die sind von mir.
    Am Tag des Schützenfestes sollte all das Schöne

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