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Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Titel: Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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am Ort zu verharren und den tosenden Applaus der Schaulustigen zu genießen. Für die geplante Rückfahrt zum Tivolipark aber hätte er, wie er bedauernd schrieb, die Muskelkraft eines zusätzlichen Mannes benötigt; so trieb der Fliegende Fisch weitere achtzig Kilometer mit dem Wind nach Westen und landete viereinhalb Stunden später in der Abenddämmerung unweit der Kathedrale von Chartres.
    Zu diesem teilweisen Misserfolg kam hinzu, dass Paulys Förderer Michel Ney sein Interesse an Fliegenden Fischen verlor, weil er zum Marschall Frankreichs ernannt worden und gegen Österreich in den Krieg gezogen war. Einmal mehr musste Pauly sich nach einem neuen Broterwerb umsehen. Er fand Arbeit und Unterkunft am Montmartre beim berühmten Büchsenmacher Prélat, der Duellpistolen,
    Jagdgewehre und Musketen herstellte. Wie es scheint, kam der gelernte Wagenbauer rasch mit der ungleich feineren Mechanik der Schusswaffen zurecht; bald beherrschte er das Handwerk derart gut, dass er sich nicht mehr damit begnügte, die immer gleichen, althergebrachten Vorderladergewehre seines Meister Prélat anzufertigen. Diese hatten nämlich den Nachteil, dass der Schütze sich beim Laden jedes Mal hoch aufrichten musste, was erstens mühsam und zweitens in Feindesnähe gefährlich war. Nach jahrelangem Tüfteln fand er die Lösung, reichte seine Erfindung zur Patentierung ein und erhielt am 29. September 1812 ein Patent auf die wichtigste waffentechnische Neuerung des frühen 19. Jahrhunderts: ein revolutionäres Hinterladergewehr mit Schlagbolzen samt Patrone, das bis zu zweiundzwanzig Schüsse pro Minute abfeuerte. Das war ein großer Schritt hin zum zuverlässigen, feuchtigkeitsresistenten Repetiergewehr, mit dem die europäischen Kolonialmächte wenige Jahrzehnte später das Innere tropischer Kontinente erobern und sich die Welt untertan machen sollten.
    Pauly selbst hatte keinen Nutzen von seiner Erfindung. Zwar wurde die Waffe Napoleon persönlich vorgeführt, aber der wollte seine Truppen nicht damit ausrüsten. Erstens hatte sie den Nachteil, dass gelegentlich ein Schuss nach hinten losging, und zweitens herrschte Krieg und für eine Massenproduktion fehlte das Geld.«Erfindungen, die ihrer Zeit vorangehen», sagte der Kaiser mit der ihm eigenen Grandezza,«bleiben ungenutzt, bis das Allgemeinwissen dasselbe Niveau erreicht hat.»
    Paulys Gehilfe in der Waffenschmiede aber, der ihm seit drei Jahren zur Hand ging, Johann Nikolaus Dreyse hieß und aus Sömmerda in Preußen stammte, wollte die Erfindung nicht ungenutzt lassen, bis das Allgemeinwissen dasselbe Niveau erreicht hatte. Er blieb noch zwei Jahre in Paris, dann kehrte er heim, übernahm die väterliche Schlosserei und stattete in den folgenden Jahrzehnten heimlich die ganze preußische Armee mit jenen zuverlässigen Hinterladergewehren aus, dank denen Bismarcks Truppen am 3. Juli 1866 in der Schlacht von Königgrätz die zahlenmäßig überlegenen Heere Österreichs und Sachsens vernichtend schlugen und die Führungsmacht in Deutschland errangen. Man kann also sagen, dass der preußisch-protestantische Militarismus seinen Siegeszug ganz wesentlich Samuel Johannes Pauli aus Vechigen bei Bern verdankte. Denn wenn die Schlacht von Königgrätz anders ausgegangen wäre, hätte vielleicht die katholisch-reaktionäre, aber vergleichsweise gemütliche Habsburger Doppelmonarchie das Deutsche Reich ins 20. Jahrhundert geführt, und Adolf Hitler wäre vielleicht Kunstmaler in Wien geblieben.
    In jenem September 1812 war Jean Pauly einmal mehr zur falschen Zeit am falschen Ort; denn am Tag, als er das Patent auf sein Gewehr erhielt, stand sein Beschützer Marschall Ney zusammen mit Bonaparte zweitausendsechshundert Kilometer östlich von Paris vor dem menschenleeren, brennenden Moskau und marschierte mit der Grande Armée in den Untergang. Pauly musste bald klar geworden sein, dass es in Frankreich für ziemlich lange Zeit keinen Markt für Hinterladergewehre mehr geben würde.
    Als Kaiser Napoleon 1814 abdankte und nach Elba ins Exil ging, verließ auch Pauly Paris und machte sich, inzwischen achtundvierzig Jahre alt und noch immer ledig, kinderlos und ohne Geld, auf den Weg nach London, wo Kartograph Ferdinand Hassler schon drei Jahre auf seine Messgeräte wartete. Im Gepäck hatte er die Baupläne seines Fliegenden Fisches. Er ließ sich in der Charlotte Street im Herzen Londons nieder, nannte sich fortan Samuel John Pauly und fand Unterschlupf bei seinem Landsmann Urs Egg aus

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