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Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Titel: Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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ist, dass Madame de Staël ausgerechnet am Tag von Hans Jakobs angeblichem Besuch an den Folgen eines Gehirnschlags starb, weshalb der Bursche gerade rechtzeitig auftauchte, um den Ärzten beim Sezieren des Leichnams zuzuschauen und der Untersuchung ihres Gehirns beizuwohnen.
    Aktenkundig ist, dass er spätestens ein Jahr danach wieder daheim war. Dreimal – am 23. Juli, 20. August und 3. September 1818 – zitierte ihn das Ehegericht nach Winterthur, damit er über seine Versäumnisse als Ehemann Auskunft gebe. Hans Jakob aber kam den Aufforderungen nicht nach, sondern blieb, wie das Gericht festhielt,«am Rechten ungehorsam aus». Stattdessen ging er nach Freiburg im Breisgau und schrieb sich am 19. Mai 1819 an der Universität als studiosus medicinae ein. Da er aber kein Geld besaß, häufte er vom ersten Studientag an Schulden auf Schulden, erschlich sich auf betrügerische Weise Stipendien und musste noch vor Semesterende heimlich die Stadt verlassen, worauf ihn der Senat auf ewig von der Universität verbannte und bei den Zürcher Behören anfragen ließ, ob in der Familie des Geächteten jemand für dessen Schulden aufkommen könne. Die Zürcher antworteten am 17. Juni 1820, dass Meyer, dieser«liederliche Mensch», vollkommen mittellos sei und dem Vater, der mit eigener Not zu kämpfen habe, weitere Opfer nicht zuzumuten seien.
    Hans Jakob hatte keinen festen Wohnsitz und keine Arbeit, und bei seiner geschiedenen Gattin konnte er sich nicht blicken lassen. Manchmal fand er beim Vater Unterschlupf. Aber wie es in seinem Leben weitergehen sollte – das wusste er nicht.
    Die Jahre nach dem Wiener Kongress waren eine bedrückende Zeit für einen freiheitsliebenden jungen Mann. Die Französische Revolution war fürs Erste gescheitert, und
    überall in Europa waren die Adligen und der Klerus an die Macht zurückgekehrt. Wer an Freiheit, Fortschritt und Humanität glaubte, musste sich ducken und auf bessere Zeiten hoffen. Als jedoch am 7. März 1821 der Aufstand der Griechen gegen die türkische Fremdherrschaft ausbrach, wurde die Jugend Europas von einer Welle romantischer Begeisterung erfasst. In Bayern und der Schweiz, in Frankreich, Italien und England wurden philhellenische Gesellschaften gegründet, und große Geister wie Goethe, Hölderlin, Puschkin und Victor Hugo schlossen sich ihnen an. Von überall her zogen junge Männer ins Land Homers, um für die Nachkommen Agamemnons und Aristoteles’ die Freiheit zu erkämpfen – wenn sie denn schon im eigenen Land nicht zu haben war. Und jene, die zu Hause blieben, sammelten Geld, um den griechischen Freiheitskampf zu finanzieren.
    Hans Jakob war Feuer und Flamme. Als im August 1821 in Bern ein Hilfsverein für die Griechen gegründet wurde, tauchte er dort als«Doktor Meyer aus Zürich»auf und hatte ein Empfehlungsschreiben der Basler Missionsgesellschaft dabei, das wohl ziemlich echt aussah. In ihrem romantischen Überschwang statteten die Berner den Zürcher Doktor mit reichlich Reisegeld aus und schickten ihn auf den griechischtürkischen Kriegsschauplatz, wo er fürs Erste die Lage sondieren und eine sichere Art der Geldüberweisung an die griechischen Kämpfer finden sollte.
    Kaum aber war Hans Jakob Meyer abgereist, schrieb die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 19. September, dass es in Zürich keinen Doktor oder Arzt dieses Namens gebe, wohl aber einen verkrachten Medizinstudenten, worauf die Berner Philhellenen den Kontakt mit ihm abbrachen. Immerhin habe man ihm kein Geld anvertraut, ließ der Verein die Öffentlichkeit wissen.
    Wahrscheinlich war Hans Jakob in der Zwischenzeit über den Genfer See und die Rhône nach Marseille gereist, wo sich die Philhellenen gern versammelten, um für zwanzig, fünfzig oder hundert Mann ein Schiff zu mieten, das sie dann in zwei- bis dreiwöchiger Fahrt an Korsika, Sardinien und Malta vorbei nach Griechenland brachte. Es wird wohl Ende 1821 gewesen sein, als er in Missolunghi im Golf von Patras ankam, einem verschlafenen, malariaverseuchten Hafenstädtchen mit achttausend Einwohnern. Die Philhellenen hatten es zum Hauptquartier auserkoren, weil es von Sümpfen und einer Lagune umgeben, mit einer Befestigungsmauer sowie zwölf Kanonen bewehrt und deshalb schwer einnehmbar war.
    Die vierhundert griechischen Kämpfer, die sich dort versammelt hatten, waren ein wilder Haufen: landlose Kleinbauern aus Thessalien und venezianische Adlige auf Sinnsuche, verkrachte deutsche Studenten und verarmte Handwerker aus

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