Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Titel: Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
Vom Netzwerk:
des ständigen Gezänks überdrüssig. Frederick und Maria Manning zogen gemeinsam nach London, und Marie brachte ihre beiden Männer dazu, einander die Hände zu reichen, sich zu vertragen und in Frieden zu dritt unter einem Dach zu leben. Am 25. März 1849 bezogen sie ein ziemlich neues zweistöckiges Reihenhaus in Bermondsey mit fließendem Wasser, drei Schlafzimmern und eigenem Hinterhof; die Miete betrug zweiundzwanzig Pfund jährlich und überstieg die Möglichkeiten der Mannings bei Weitem; O’Connor wollte als Untermieter einen schönen Teil übernehmen.
    Wie sich aber herausstellte, konnte der Junggeselle seine alte Bindungsscheu nicht überwinden und wollte, nachdem die Mannings den Vertrag schon unterzeichnet hatten, nun doch lieber alleine wohnen. Marie war außer sich vor Wut. Doch als sie erfuhr, dass der Grund für O’Connors Rückzug zarte neunzehn Jahre alt war und ein erstes vages Eheversprechen erhalten hatte, zügelte sie ihren Zorn und zwang sich zu kühler Berechnung. Sie begriff, dass es eine Frage des Überlebens war.
    Vorerst machte Marie gute Miene zum bösen Spiel. Um die Miete bezahlen zu können, nahm sie einen Medizinstudenten als Untermieter im Haus auf und lud dann O’Connor aufs Herzlichste zum Abendessen zu dritt ein. Alle paar Tage dinierte der Hausfreund bei den Mannings, und dazwischen besuchte Marie ihn in dessen Wohnung und verbrachte viele Stunden bei ihm; weil zuweilen die Tür offen stand, konnte die Vermieterin hören, wie sich die beiden ausgiebig über französische Eisenbahnaktien, Dividenden und Schuldscheine unterhielten.
    Am 25. Juli 1849 kaufte Frederick Manning in einer Eisenwarenhandlung in der King William Street ein Brecheisen. Am 26. Juli bestellte er ein Bushel Ätzkalk und legte Wert darauf, eine besonders aggressive Sorte zu erhalten. Am 28. Juli kündigte Marie dem Untermieter fristlos das Zimmer, weil sie und Frederick für längere Zeit ins Ausland verreisen würden. Am 8. August kaufte sie in der Tooley Street eine handliche kleine Kohlenschaufel, und am Donnerstag, 9. August 1849, schickte sie Patrick O’Connor einen freundlichen Brief, in dem sie ihn auf den Abend zu einer gebratenen Gans einlud.
    Als O’Connor kurz nach fünf Uhr bei den Mannings ankam, war er erschöpft und verschwitzt vom Fußmarsch in der sommerlichen Nachmittagshitze. Marie empfahl ihm, sich in der Küche mit kühlem Wasser zu erfrischen. Auf dem Weg zum Spülbecken führte sie ihn über eine frisch ausgehobene Grube mit der Bemerkung, dass dort Leitungen verlegt würden. Und als O’Connor sich die Hände wusch, trat jemand von den Mannings – ob Marie oder Frederick, wurde nie endgültig geklärt – von hinten an ihn heran und schoss ihm mit einer Pistole eine Kugel in den Hinterkopf, die über dem rechten Auge stecken blieb. Gemäß dem schriftlichen Geständnis, das Frederick in der Todeszelle verfasste und das in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett verwahrt wird, atmete der tödlich Verwundete noch, als Frederick mit dem Brecheisen hinzutrat und ihm mit siebzehn Schlägen, in die er alle Wut des jahrelang gehörnten Gatten legte, den Schädel zertrümmerte. Dann nahm Marie dem Toten die Wohnungsschlüssel ab und machte sich auf den Weg, dessen Eisenbahnaktien und das Bargeld zu holen. Frederick ging unterdessen ins Freie und setzte sich auf die Gartenmauer, um Pfeife zu rauchen, Half-and-Half zu trinken und mit den Nachbarn über Eisenbahnaktien zu plaudern. Um zwanzig vor acht war Marie wieder zu Hause und schnitt dem Toten mit einer Schere die Kleider vom Leib; dann banden sie ihm mit starken Seilen die Füße auf den Rücken, legten ihn in die Grube und bedeckten ihn mit ungelöschtem Kalk, welcher sofort seine ätzende Wirkung entfaltete; anschließend füllten sie die Grube auf. Nach Mitternacht unterbrachen sie die Arbeit und legten sich schlafen. Eine Zeitung schrieb später, die Mannings hätten in der Nacht noch in aller Ruhe die Gans verspeist, zu der sie O’Connor eingeladen hatten. Am nächsten Morgen setzten sie ihr Werk fort, legten die Bodenplatten zurück an ihren Ort und verfugten sie mit Mörtel.
    Wie es scheint, lebten Marie und Frederick vier Tage lang mit dem Toten unter ihren Füßen. Am zweiten Tag klopften zwei Männer an die Tür, aber niemand öffnete. Am dritten Tag kamen die Männer wieder, als Marie draußen auf der Treppe saß. Sie stellten sich als O’Connors Arbeitskollegen vor und wollten wissen, ob Marie etwas über dessen Verbleib

Weitere Kostenlose Bücher