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Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Titel: Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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ist ungewiss. Die Wiener All gemeine Zeitung schrieb am 25. Mai, er habe sich durch einen Pistolenschuss entleibt. Der schottische Historiker George Finlay, der selbst in Missolunghi dabei war, berichtete 1877, Meyer habe es mit dem Kind auf dem Arm und der Gattin an seiner Seite über den Erdwall hinweg und über die Ebene bis zum Fuß der Hügel geschafft, wo er aber getötet wurde, während das Kind und die Frau gefangen genommen wurden; der griechische Geschichtsschreiber Georges Drossinis wiederum versichert, Meyer sei während des Ausfalls zusammen mit anderen Philhellenen – sechs Deutschen und einem Polen – im Kugelhagel gefallen. Was mit der Ehefrau und den beiden Töchtern weiter geschah, weiß man nicht; die meisten Quellen gehen davon aus, dass auch sie im Blutbad umkamen. Einige wenige halten es für möglich, dass sie nach Serres in Nordgriechenland verschleppt wurden, wo der schreckliche Ismail Pascha herrschte.

7 Maria Manning
    Am Genfer See lebte um 1840 ein schwarzlockiges Mädchen namens Marie Roux, das gern hübsche Kleider trug und sich die Augen mit Kajal schminkte. Sie war die Tochter des Postmeisters und nicht gerade arm, aber auch nicht reich, weshalb sie sich die Kleider selbst schneiderte und das Haar eigenhändig frisierte. Wenn die reichen englischen Touristinnen mit ihren prächtigen Roben in sechsspännigen Kutschen an ihr vorüberfuhren, schaute sie ihnen hinterher und träumte von einem Leben in Schlössern und Palästen an der Seite eines Prinzen. Und als ihr schließlich klar wurde, dass sie am Genfer See immer die Tochter des Postmeisters bleiben würde, beschloss sie, ihr Glück in England zu suchen.
    Wo genau ihr Geburtshaus stand, ist schwer zu sagen, da die angelsächsische Strafgerichtsbarkeit immer nur das Verbrechen selbst, nicht aber das Vorleben der Angeklagten im Auge hat. Dem Scharfrichter erzählte Marie zuerst, sie stamme aus Genf, einige Tage später dann, sie sei in Lausanne geboren. Aber weder da noch dort ist in den Registern zur fraglichen Zeit eine Marie Roux zu finden. Auf welchen Wegen sie ihre Heimat verließ und wie sie nach England gelangte, weiß man nicht. Ein erstes Lebenszeichen findet sich erst 1843, als sie wohl um die zwanzig Jahre alt war, und zwar in Devonshire im äußersten Westen Englands, auf dem Landsitz der Familie Palk, die im Handel mit Ostindien zu großem Reichtum gelangt war. Marie war die Kammerzofe der Hausherrin Lady Anna Eleonora Palk, einer reizbaren und verdrießlichen Dame mittleren Alters, die unter allerlei Beschwerden litt, weite Reisen zu den berühmtesten Ärzten unternahm und sich immer von ihrer Zofe begleiten ließ. Marie fuhr an der Seite ihrer Herrin in der Dampfbahn Erste Klasse wie eine wirkliche Fürstin, und wenn Mylady die Fähre über den Ärmelkanal nach Frankreich nahm, sonnte Marie sich auf Deck in Gesellschaft der Reichen und Vornehmen, als hätte sie von Geburt an zu ihnen gehört.
    Nach drei Jahren aber starb Lady Palk an einer ihrer eingebildeten Krankheiten, und Mary bekam zu spüren, dass sie der Schicht der Reichen und Vornehmen eben nicht angehörte. Sie wurde entlassen und musste sich ein neues Obdach suchen.
    Mit Glück und einem guten Arbeitszeugnis fand sie eine Anstellung bei Lady Evelyn Blantyre, der unglücklichen Tochter der berühmten, schönen und unermesslich reichen Herzogin von Sutherland. Für eine Schweizer Postmeistertochter waren schon die Palks schwindelerregend reich gewesen, aber richtig angelangt in der marmornen Welt uralten angelsächsischen Hochadels war Marie erst bei den Sutherlands. Deren Londoner Residenz befand sich unmittelbar neben dem Buckingham Palace, und wenn die Herzogin eine Soirée gab, fanden sich nebst den berühmtesten Künstlern und Schriftstellern des Empire auch die junge Königin Victoria und ihr Gemahl Albert ein. Als dienstbarer Geist immer dabei war Marie Roux. Zwar vergaß niemand auch nur für einen Augenblick, dass sie niederen Standes war, aber immerhin durfte sie die Atemluft gekrönter Häupter atmen und ihre Tage wie eine Prinzessin in Schlössern, Palästen und Luxushotels verbringen. Weil sie ein hübsches Mädchen war, gute Manieren hatte und Englisch mit einem reizenden französischen Akzent sprach, waren die Herrschaften freundlich zu ihr. Man erlaubte ihr, bei ihnen am Tisch zu sitzen und an den Picknicks und Bootspartien teilzunehmen, und gelegentlich machte ihr wohl der eine oder andere Gentleman ein wenig den Hof. Lady Blantyre trug ihre

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