Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)
Kurzschluss auslösen und so die Kapsel in Brand setzen können. Das mit dem Scheinwerfer haben wir danach nicht wieder gemacht.
Wir hatten sie wirklich alle, die sieben Plagen. Einen Sandsturm natürlich auch. Dieser Wüstensand kriecht in jeden Spalt der Kapsel, in jedes Kamerateilchen. 20 Leute mussten stundenlang ganz vorsichtig mit Pressluft alles wieder vom Sand befreien.
Beim zweiten bemannten Launch-Versuch stürzte uns die Kapsel ab. Sie schlug mit 80 Sachen auf und war beschädigt. Das kam so: Eine der Neuentwicklungen unserer Mission ist die »Reefing«-Einrichtung am Schirm der Kapsel, die es erlauben soll, die Kapsel und mich aus großer Höhe sicher und verlässlich zurückzuholen. Hierzu wird der Fallschirm der Kapsel mit einer sogenannten Reefing-Leine zusammengezogen. Die Leine sorgt dafür, dass sich der Fallschirm der Kapsel verzögert öffnet und die Kapsel erst einmal irrsinnig schnell herunterrast, bevor die Reefing-Leine dann in einer Höhe von rund 7000 Metern durch eine pyrotechnische Ladung gekappt wird und der Schirm sich ganz öffnet. Gebaut haben wir dieses komplexe System, damit ich nicht zu lange in der Kapsel Richtung Boden segele, falls ich aus irgendeinem Grund nicht springen kann. Aus einer Höhe von 30 Kilometern wäre die Kapsel am Schirm ohne diese Vorrichtung viel zu lange unterwegs, bis sie wieder am Boden ist. Wenn ich nun wegen eines Zwischenfalls die Kapsel nicht öffnen könnte, wäre ich eine sehr lange Zeit in einem sehr gefährlichen Umfeld. Die Ärzte würden unten stehen, mit einer Dekompressionskammer und allem, was man braucht, aber von dieser Zeit würde ich längst schwere Gehirnschäden davongetragen haben. Genau das ist Nicholas Piantanida passiert, dem Amerikaner, der 1966 versucht hat, Joes Rekord zu brechen. Er hat in seinem Helm Panik bekommen. In einer Höhe von rund 17 000 Metern hörte die Crew am Boden das Geräusch entweichender Luft und einen plötzlichen Notruf. » What was that, Nick? « » Emerg…! « Im selben Moment brach die Funkverbindung ab. Seine Gondel wurde sofort vom Ballon getrennt und binnen 26 Minuten auf den Boden geholt. Piantanida wurde bewusstlos und mit schwersten Gehirnschäden aufgefunden. Er lag im Koma und starb vier Monate nach seinem Sprungversuch. Später wurde festgestellt, dass das Helmvisier nicht mehr geschlossen gewesen war. In dieser Höhe führte das zu sofortigem Druckabfall und Sauerstoffmangel, Piantanida fiel augenblicklich ins Koma. Besonders tragisch: Frau und Kind waren beim Start anwesend.
Das Problem ist: Du kannst noch so gut wissen, dass du das Visier nicht aufmachen darfst, aber wenn du Stress hast in diesem Helm, hast du einfach das Gefühl, du musst jetzt das Visier öffnen, damit es dir besser geht. Du weißt, da draußen ist kein Sauerstoff. Aber du siehst es nicht.
Wenn also etwas passiert, musste ich schnell wieder runter, raus aus dieser gefährlichen Welt und möglichst schnell in ärztliche Hände. Deswegen haben wir dieses System gebaut. Aber bei einem Testsprung aus 30 Kilometern Höhe versagte die pyrotechnische Ladung, der Schirm öffnete sich nicht komplett, und die Kapsel schlug mit 80 Sachen auf. Sie hat eine eigens dafür designte Bruchfläche, ein sogenanntes Crash Pad. Das war natürlich zerstört. Ansonsten hat noch alles funktioniert: die ganze Elektronik. Die Kapsel war weiterhin einsatzfähig und sogar noch dicht.
Dennoch musste aufgrund der physischen Schäden die Ersatzkapsel zum Einsatz kommen. Gewisse Instrumente und Einrichtungen haben wir von der Crash-Kapsel übernommen, die restliche Ausrüstung aber sicherheitshalber komplett ausgetauscht. Die Batterien zum Beispiel haben wir neu gekauft, obwohl die aus der Crash-Kapsel noch funktioniert haben. Auch wollten wir nicht riskieren, dass irgendeine Platine oder eine Leiterplatte einen Haarriss hat, beim nächsten Start in 30 000 Metern einen Kurzschluss verursacht und die Kapsel abfackelt.
Eine anschließende Untersuchung ergab Folgendes: Die Kapsel befand sich in der Nähe von White Sands, einer geheimen Raketentest-Facility der Amerikaner. Und die spannen über ihre Test-Facilitys immer einen elektronischen Schutzschirm gegen fremde Funk- und Kamerasignale. Wenn sich ein Objekt der Anlage nähert, wird sofort das sogenannte Signal-Jamming aktiviert, das alle ankommenden Signale stört. Deswegen hat unsere Funksteuerung nicht funktioniert. Ich fragte: »Aber warum hat dann der parametrische Cutter nicht funktioniert? Der
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