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Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Titel: Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Baumgartner
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der Geräuschkulisse wegen nicht zu denken. Meine Freundin geht runter und spricht mit dem Manager: »Mein Freund liegt dort oben. Der muss um zwei in der Früh die Aufgabe seines Lebens bewältigen. Könnten Sie die Damen und Herren da draußen am Pool nicht bitten, etwas ruhiger zu sein?« Kann er nicht. Die Leute hätten gebucht und ein Recht auf den Pool. Er könne ihnen ja schlecht den Strom abdrehen.
    Und so wälze ich mich die ganze Nacht im Bett herum mit mehr als tausend Gedanken im Kopf. Wir haben nur noch diesen einen letzten Ballon. Als wir den vorletzten bei dem Abbruch ruiniert haben, haben wir sofort versucht, noch einen nachzubestellen. Aber das hätte wochenlang gedauert, und wir waren schon zu weit über Termin. Eigentlich war schon im August die letzte Startmöglichkeit. Durch den Kapselabsturz sind wir in den Oktober gerutscht, quasi schon ans Jahresende. Am Ende des Monats weht hier so viel Wind übers Land, dass ein Start unmöglich wird. Dann könnten wir erst wieder im Juni 2013 einen Versuch wagen. Der ganze Flow wäre weg. Wir müssten die komplette Logistik über den Winter einmotten und alle Mitarbeiter heimschicken. Und dann die Presse! 350, 400 Journalisten, die praktisch alle schon auf Sendung sind. Ein Horrorszenario.
    Alles hängt nun an diesem letzten Ballon, diesem riesigen Kunststoffgebirge mit der dünnen, empfindlichen Haut. Interessant, dass so ein Projekt, das fünf Jahre dauert und für das wir zig Ersatzballone gekauft haben, um nicht in diese Notsituation zu kommen, dann trotzdem auf den letzten verfügbaren Ballon angewiesen ist. Vielleicht braucht es das. Darüber denke ich nach: Vielleicht braucht der Mensch im Unterbewusstsein genau diesen Druck, um 100 Prozent zu geben. Vielleicht gibt man, wenn man weiß, man hat noch einen zweiten Ballon, nur 97 Prozent.
    Solche Dinge gehen mir in dieser schlaflosen Nacht in New Mexico durch den Kopf. Um acht bin ich ins Bett gegangen, weil ich um zwei in der Nacht wieder rausmuss. Gewöhnlich gehe ich nie vor zwölf ins Bett. Kein Wunder also, dass mein Körper sich beschwert: »Junge, was ist los? Das ist nicht unsere Zeit«, während meine Vernunft mir rät: »Du brauchst ein bisschen Schlaf. Du hast morgen einen sehr langen Tag und einen sehr weiten Weg vor dir.« Ich versuche alles, schlafe aber natürlich nicht ein. Ich schaue zum Wecker und denke: Nur noch zwei Stunden! Wann kommt der Schlaf endlich? Und als ich gerade einschlafe, läutet natürlich der Wecker. Nein, das kann nicht sein! Vielleicht habe ich ja aus Versehen zwölf eingestellt. Nein, es ist halb zwei. Also, dann: Frühstück.
    Ich habe in all den Jahren der Vorbereitung auch recherchiert, was Astronauten gefrühstückt haben, bevor sie zu ihren großen Missionen aufgebrochen sind. Neil Armstrong habe ich kurz vor seinem Tod bei einem gemeinsamen Abendessen im Hangar 7 sogar selbst fragen können. Die Antwort war immer die gleiche: »Steak und Eier.« Zum Frühstück! Gut, dachte ich, wenn alle Steak und Eier essen, dann mache ich das auch so. Zweimal habe ich das probiert, saß um halb zwei in der Früh da, schaute dieses Steak an und dachte: Ich bin müde, ich bin aufgeregt. In diesem Zustand ein Steak, das ist nicht meine Sache. Aber ich brauchte etwas zu essen, was lange im Magen blieb und einen nicht gleich wieder auf die Toilette trieb. Unterwegs würde ich zwar pinkeln können, aber alles andere muss vorher erledigt sein. Vor einem der ersten Testsprünge war ich zu Andy gegangen und hatte ihm gesagt: »Ich habe ein Riesenproblem: keinen Appetit in der Früh. Das Einzige, was geht, ist trinken.« Nach Andys Rezept mixte mir daraufhin unser Koch Henry Avila Shakes mit Proteinen, Zucker und Kohlehydraten, schön fruchtig in zwei verschiedenen Varianten, um die Energie zu liefern, die ich brauche. Ich trinke immer beide.
    Wirklich erstaunlich, mit was ich mich am Abend zuvor noch alles beschäftigt habe. Ich bin jetzt schon wieder vier Wochen in Amerika und habe nicht einmal die Gelegenheit gehabt, mir die Haare schneiden zu lassen. Und an meinem großen Tag will ich nicht schlecht frisiert rumlaufen. Ich fragte Henry, ob er nicht irgendwo in der Nähe einen Friseur kennt. Mein ganzes Leben lang bin ich bei keinem anderen Friseur gewesen als bei meinem Freund Roland Ruggenthaler in Salzburg. Bis ich 17 war, hat mir immer meine Mama die Haare geschnitten, danach nur mehr Roland. Für mich macht er auch um neun oder zehn am Abend noch den Laden auf. Ich bin sein

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