Himmelssturz
das hier dazwischengekommen ist.«
Svetlana löste die Vorratskisten von den Seiten des Beiboots. »Ich wünschte, wir könnten kürzere Schichten fahren, aber du weißt ja, wie es um unseren Treibstoffvorrat steht.«
»Klar doch. Ich will mich auch gar nicht beklagen. Wenigstens kommen wir so ganz gut mit der Arbeit voran. Und vielleicht könnte sich das, was wir gefunden haben, als hilfreich erweisen.«
»Das wäre großartig«, sagte Parry.
»Das klang nicht sehr überzeugt«, stellte Ramos fest.
»Ich würde vielleicht begeisterter klingen, wenn es nicht schon so viele Rückschläge gegeben hätte. Aber lass dich durch meinen naturgegebenen Pessimismus nicht irritieren.«
Sie trugen die Vorratskisten in ein Lagermodul und verbrachten die nächsten zehn Minuten damit, leere Treibstoffzellen gegen aufgeladene auszutauschen. Als sie fertig waren und die leeren Batterien wieder am Beiboot verstaut hatten, führte Ramos sie in eins der Zelte. Es stand unter Druck, also mussten sie eine weitere Luftschleuse durchschreiten, bevor sie die Helme und Handschuhe abnehmen konnten. Das Innere war mit Stoffwänden in einen Gemeinschaftsraum, eine Küche und drei Schlafzimmer aufgeteilt worden. Die gegenwärtigen und bisherigen Bewohner hatten sich alle Mühe gegeben, eine gemütliche Atmosphäre zu erzeugen, aber nur mit geringem Erfolg. Ohne Helm bemerkte Svetlana, dass es ungemütlich kalt war. Sie fragte sich, ob Ramos jemals ihren Raumanzug ablegte.
»Axford sagt, ich soll mir mal dein Armband ansehen«, sagte sie.
Ramos hantierte mit der Manschette ihres Anzugs, bis sie das Armband hervorgeholt hatte. »Du weißt, dass wir hier unten weniger Strahlung abkriegen als ihr da oben.«
»Ich möchte nur ganz sicher gehen – vor allem jetzt, da sich hier etwas tut.« Svetlana notierte sich den Wert der Dosis – der keinen Anlass zur Sorge gab – und reichte Ramos das Armband zurück.
»Was ist mit den anderen?«, fragte Ramos.
»Wir gehen davon aus, dass ihr alle der gleichen Belastung ausgesetzt seid. Eure Knochendichte können wir erst prüfen, wenn ihr wieder oben seid, aber ich werde euch einfach mal glauben, dass ihr alle euer Trainingspensum erfüllt.«
Ramos machte Kaffee, den sie mit präzise abgemessenen Löffeln rationierte. Svetlana trank ihn mit dem Wissen, dass es sich um eine seltene und immer seltener werdende Delikatesse handelte. Axford konnte aus den Pflanzen des Arboretums einen passablen Tee zubereiten, aber bei Kaffee musste er passen. Vielleicht würde Wang ihnen eines Tages helfen können, aber vorläufig beschränkte sich ihr Vorrat auf weniger als zweihundert Kilo für die gesamte Siedlung.
Ramos quetschte sie gnadenlos nach dem neuesten Tratsch von oben aus. Ihre Stimmung schien gut zu sein. Svetlana hatte sie schon immer gemocht, seit dem Augenblick, als die junge Frau zur Rockhopper rotiert war, und sie hatte sich vorbildlich an das Leben auf Janus angepasst. Als sich Svetlana ihre biografischen Daten angesehen hatte, war ihr alles klar gewesen. Ramos’ Leben vor DeepShaft war ein langwieriger Aufstieg aus den überfluteten Slums des alten Buenos Aires gewesen. Svetlana wusste, dass sie immer noch Familie in La Boca hatte, aber nach ihrer Versetzung auf das Schiff war sie zu einem beliebten und gut integrierten Mitglied der Besatzung geworden. Umso traumatischer musste die Meuterei für sie gewesen sein, wie eine entwürdigende Scheidung.
In letzter Zeit hatte sich die Lage verbessert. Es war zu einer Art Tauwetterperiode in den angespannten Beziehungen zwischen den zwei Fraktionen gekommen. Ramos war mit Mike Sheng eine lockere Bindung eingegangen, jemandem, der sich auf die Seite des alten Regimes geschlagen hatte. Noch vor achtzehn Monaten wäre so etwas undenkbar gewesen – zu diesem Zeitpunkt waren die Wunden noch lange nicht verheilt –, aber nun wurden solche Beziehungen immer mehr zum Normalfall. Ryan Axfords Versicherung, jeden zu behandeln, ungeachtet der Parteizugehörigkeit, hatte durchaus eine gewisse Rolle für die neue Versöhnungsphase gespielt.
Natürlich gab es Differenzen, die sich nicht ohne weiteres überspielen ließen. Und die allgemeine positive Stimmung in der Besatzung war zum Teil darauf zurückzuführen, dass die meisten nicht ahnten, wie ernst das Problem mit der Treibstoffknappheit wirklich war. Svetlana wusste es genau, und zeitweise war es für sie sehr schwierig, die Fassade des Optimismus aufrechtzuerhalten.
Als sie mit dem Kaffee fertig waren
Weitere Kostenlose Bücher