Himmelssturz
erinnerte, war inzwischen schneeweiß.
»Wie ich hörte, wird mein Aufenthalt nicht von langer Dauer sein«, sagte Bella.
»Sechs Stunden sind besser als gar nichts. Wir werden einfach das Beste daraus machen.«
Sie lehnte sich gegen einen Schrank. Es herrschte nicht einmal volle Erdschwerkraft – während ihres Besuchs war die Zentrifuge offenbar verlangsamt worden –, aber nach drei Jahren in der Mikrogravitation von Janus war es trotzdem eine ungewohnte Belastung. Sie musste nach Luft schnappen, bevor sie weitersprechen konnte. »Parry hat mir erzählt, dass du dich neuerdings auf dem Gebiet der Kinderheilkunde weiterbildest.«
»Nicht zu vergessen die Geburtshilfe«, fügte Axford mit einem Lächeln hinzu. »Natürlich nicht nur ich. Da sind auch noch Jagdeep, Thomas, Judy … Gayle.«
Thomas Shen und Gayle Simmons hatten während der Krise auf Svetlanas Seite gestanden. Bella fragte sich, was es Axford abverlangt hatte, sein Team trotz dieser Kluft zusammenzuhalten. Die Falten in seinem Gesicht schienen die Geschichte der Anstrengungen zu erzählen, die ihn diese Art von Heilung gekostet hatten.
»Parry sagte, dass es bereits mehrere Kinder gibt.«
»Ja, und ein weiteres ist unterwegs«, sagte Axford. »Eigentlich sollte ich es dir gegenüber nicht erwähnen, aber in Crabtree weiß es jeder. Svetlana ist schwanger.«
»Schön für sie.«
»Ich vermute, du hast noch nicht davon gehört, dass sie schon ein Kind verloren hat. Eine Tochter. Ich habe getan, was ich konnte, aber …« Axford stockte, als wäre ihm plötzlich etwas in die Kehle geraten.
»Es tut mir leid, dass sie ihr Kind verloren hat«, sagte Bella, und für einen kurzen Moment ließ sie sogar zu, dass es stimmte.
»Sie hatten sie Hope genannt. Aber die Hoffnung war eine Totgeburt. Schon seltsam …«
»Erlaubst du, dass ich mich setze, Ryan?«
»Ich bestehe sogar darauf.« Während sie zu einem Stuhl schlurfte, legte er den Objektträger weg, zog sich die Handschuhe von den Fingern und griff nach einem Flextop, um einen Blick in ihre Akte zu werfen. »Wie ist es dir seit der letzten Untersuchung ergangen?«
Bella lächelte matt. »Besser als Craig, wie ich andeutungsweise vernommen habe.«
»Also gibt es nichts zu berichten?« Er sah sie aufmunternd an. »Keine Zipperlein?«
Mit den Füßen spürte sie das leise Rumpeln der Zentrifuge. »Ach, nichts, was der Rede wert wäre. Manchmal wache ich schreiend auf, weil ich Angst habe, dass draußen etwas lauert und in die Kuppel einzudringen versucht. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich nackt in der Luftschleuse stehe und schon fast draußen bin. Manchmal finde ich einen scharfen Gegenstand und überlege, ob ich mich umbringen soll.«
»Jeder von uns hat mal einen schlechten Tag.«
»Das sind eher die guten.«
Er machte sich eine Notiz auf dem Flextop. Er hielt den Schreibstift genauso, wie Chirurgen ein Skalpell hielten, vier Finger am Schaft, wie bei einem Violinbogen. »Aber etwas hält dich davon ab. Etwas hält dich zurück, wenn du einfach Schluss machen könntest.«
»Die Pflicht«, sagte Bella. »Etwas lässt nicht zu, dass ich diese Mission und meine Verantwortung im Stich lasse.«
»Deine Verantwortung war in dem Augenblick beendet, als Svetlana den Laden übernahm.«
»Nein«, sagte sie leise. »Seitdem ist es nur noch schwerer geworden. Ich habe Frieden geschlossen, weil ich wusste, dass Svietas Leute nur dadurch die Möglichkeit erhielten, den anderen zu vergeben und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es war das Einzige, was ich tun konnte, um die Besatzung wieder zusammenzuführen.«
»Du hattest keine andere Wahl. Sie hat diese Entscheidung getroffen, nicht du.«
»Ich habe sie akzeptiert.« Sie ballte eine Hand zur Faust und legte sie ans Herz. »Das bedeutet nicht, dass es mir gefallen hat.«
Axford legte den Flextop auf den Schreibtisch zurück. Bella bemerkte, dass die Farben auf der Bildfläche nicht stimmten und viele tote Hexel die Anordnung der Iridophoren verunstalteten. »Du weißt, dass du viele Freunde in Crabtree hast. Fast die Hälfte der Bevölkerung stand auf deiner Seite. Viele von denen, die sich Svetlana angeschlossen haben, sind nur Parrys Beispiel gefolgt. Und du weißt, dass Parry nichts gegen dich persönlich hat.«
Sie nickte und dachte daran, wie Parry ihr die Zigaretten mitgebracht hatte.
»In den vergangenen zwei Jahren haben wir immer wieder darauf gedrängt, dir das Leben leichter zu machen«, sagte Axford. »Wir können noch nicht
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